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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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sie war, als dieser Arne ihr im Rollstuhl die Tür aufgemacht hat. Natürlich hatte sie ihm erst nicht getraut.
    »Hätte ja auch sein können, dass der sich den irgendwo ausgeliehen hat«, betont sie. Erst hatte sie sogar überlegt, ob sie ihm scheinbar aus Versehen eine Tasse heißen Tee über die Hose kippen soll.
    »Aber dann habe ich gesehen, dass die ganze Wohnung für einen Rollstuhlfahrer ausgebaut war. Mit so extra breiten Türen und so komischen Griffen neben dem Klo. Ich möchte echt mal gerne wissen, wie der das überhaupt schafft, auf Toilette zu gehen.«
    »Ich nicht.«
    Ich möchte mir echt nicht vorstellen, wie der erste Typ, der sich in mich verknallt, beim Kacken aussieht.
    »Wie sah er eigentlich aus, mal von der Brille und den Armen abgesehen?«
    »Normal irgendwie. Unauffällig.«
    Toll. Wenn ein Junge sagt, dass Julchen nicht sein Typ ist, guckt die ihn nicht weiter an.
    »Wie alt?«
    »Neunzehn. Hat er erzählt.«
    Immerhin hat sie ihm zugehört.
    »Und was hat er sonst noch erzählt?«
    Ich will alles wissen. Julchen lässt sich rückwärts auf ihr Bett fallen und gähnt.

    »Er hat quasi den ganzen Abend von dir gequatscht.«
    Das muss ja sehr ermüdend gewesen sein. Ich schweige beleidigt und Julchen bequemt sich endlich, mal was zu erzählen.
    »Er hat mich direkt gefragt, ob mich das sehr irritiert, dass er gelähmt ist, und ob ich lieber sofort wieder gehen wollte. Ich habe natürlich gelogen und behauptet, dass das doch gar nichts Besonderes sei.«
    Sie macht eine Pause.
    »Da hat er gelacht. Der hat mich echt ausgelacht. Ich habe dann zugegeben, dass ich das schon ein bisschen befremdlich finde. Ich glaube, das war dann okay für ihn. Und dann hat er mir gleich erzählt, dass er einfach mal wissen wollte, wie ein Mädel bei einem Date reagiert. Ich habe dann etwas nachgehakt und dann ist er mit der Wahrheit rausgerückt. Dass er eben eine Internetbekanntschaft gemacht habe, die ihn total faszinieren würde. Aber er habe sich nicht getraut, ein Treffen vorzuschlagen, und erst recht nicht, ihr von diesen Zweifeln zu erzählen. Deshalb hat er die Verbindung gekappt. Das habe ihn total traurig gemacht, weil das Mädchen so nett und sensibel gewesen sei und wahrscheinlich gar nicht verstanden habe, warum er sich plötzlich nicht mehr meldet. Er hat echt ›traurig‹ gesagt.«
    Sie steht auf, macht eine CD an. Ich sage einfach mal nichts. Ich fühle mich auch traurig.
    »Was hat er denn sonst noch so über mich gesagt?«, frage ich irgendwann.
    »Dass du das hübscheste Mädchen bist, das er je gesehen hat. Dass du ganz oft genau das geschrieben hast, was er gerade gedacht hat. Dass du so ganz anders bist als alle Mädels, die er bisher kennengelernt hat, und dass du so eine lustige Melancholie hast. Echt. Lustige Melancholie.
Das waren seine Worte.« Sie grinst mich an. »Ich wusste gar nicht, was du für eine Traumfrau bist.«
    Wusste ich auch nicht, aber die Bemerkung hätte sie sich trotzdem sparen können.
    »Er hat mir sogar von eurem gemeinsamen Kinoabend erzählt. Auf so eine Idee muss man echt erst mal kommen.«
    »Hast du ihn eigentlich ermutigt, sich doch mal persönlich bei mir zu melden? Dass er sich vielleicht doch trauen kann?«
    Sie guckt mich überrascht an.
    »Eigentlich nicht. Habe ich gar nicht drüber nachgedacht. Willst du dich denn mit ihm treffen? Ich meine, der sitzt im Rollstuhl. Das ist schon heavy.«
    Ich versuche mir das vorzustellen. Kann ich mich mit jemandem treffen, der die ganze Zeit sitzt? Auf den ich die ganze Zeit runtergucken muss? Zumindest beim Laufen. Mit so jemandem könnte man nie Arm in Arm schlendern. Ins Kino könnte man gut zusammen gehen. Aber wahrscheinlich würden alle komisch gucken. Oder komisch nicht gucken.
    Julchen starrt mich an. »Willst du dich echt mit ihm treffen?«
    »Ich weiß es nicht. Keine Ahnung. Ich glaube, ich habe jetzt erst mal ein ganz anderes Problem.«
    »Und das wäre?«
    »Wenn dieser Arne Becker nicht hinter allem steckt, dann ist es ja wohl jemand anderes. Bis gestern Abend dachte ich, ich wüsste, wer mich verfolgt, und muss den nur noch finden. Jetzt habe ich null Idee, wer es ist. Das macht alles noch viel schlimmer.«
    Julchen lässt sich wieder aufs Bett fallen.
    »Da habe ich auch schon dran gedacht. Es wäre besser gewesen, dieser Arne hätte sich als verstörter Hobby-Psychopath
geoutet, ich hätte ihm mal ordentlich die Meinung sagen können, und er hätte Ruhe gegeben und wieder mit der Gummifletsche auf

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