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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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ein bisschen verunsichert auf der Terrasse stand. Ja,
er ist ein bisschen komisch manchmal in letzter Zeit. Aber er hört keine Stimmen, wo keine sind. Er hat keine Erscheinungen. Oder? Ist er vielleicht mehr als nur vergesslich und schusselig? Oder will ich das nur gerne glauben, weil es angenehmer wäre als die andere Wahrheit?
    Luise stürmt in mein Zimmer, stoppt kurz vor mir.
    »Hast du Fieber? Oder einen allergischen Schub?«
    Sie starrt auf die roten Flecken auf meiner Haut.
    »Handtuchpeeling«, antworte ich knapp.
    »Sieht eher nach Verbrennungen zweiten Grades aus. Aber deswegen bin ich nicht hier. Komm mal mit hoch.«
    »Ich muss mich erst anziehen.«
    »Dann komm in die Pumps, Süße.«
    Sie setzt sich auf mein Bett, wippt ungeduldig.
    Ich füge mich. Ein paar Minuten später kann ich sie und ihre Ungeduld verstehen. Wir sitzen vor ihrem Computer und sie zeigt mir die Fotos von gestern Abend. Sie sind echt stark. Mein Vater sieht original aus wie »Mr Lover-Lover«. Mein Opa ist der perfekte Gentleman, und ich finde mich selber auch ganz süß mit dem Schokokuss im Gesicht.
    Wir sehen aus wie eine ganz normale Familie.
    Damals wusste ich noch nicht, wie wenig das stimmt.

10
    N atürlich tue ich es doch. Natürlich gehe ich zu Arne Becker. Also, nicht wirklich zu ihm, aber in seine Nähe. Ich will einfach wissen, wie er aussieht. In meinem Kopf hatte er in den letzten Wochen so viele verschiedene Gesichter, dass ich jetzt das echte sehen will. So ganz einfach ist das nicht. Schließlich will ich ja nicht, dass er mich sieht - und erkennt. Mich wieder auf die Mauer gegenüber von seinem Haus auf die Lauer zu legen, scheidet also aus. In die fettige Frittenschmiede in seiner Nähe kommt er bestimmt nicht. Könnte er gar nicht, vor der Tür sind ein paar Treppenstufen. Also probiere ich einfach mein Glück in einem großen Supermarkt an der Ecke. Vielleicht kauft Arne da ja ein. Ich warte, bis die Kassiererin nichts zu tun hat, gehe dann zu ihr. In der Hand schwenke ich eine Zeitschrift, die ich am Kiosk gekauft habe.
    »Die hier ist so einem Typen im Rollstuhl runtergefallen. Kennen Sie den? Könnten Sie ihm die das nächste Mal geben?«
    Die Frau guckt auf die Zeitschrift. Blöderweise habe ich die »Bravo Girl« gekauft, aus alter Gewohnheit. Das scheint die Kassiererin weniger zu stören.
    »Wieso hast du sie ihm nicht gegeben? Er wird wohl kaum so schnell weggelaufen sein, oder?«
    Mist. Ich bin aber zu bescheuert.
    »Wohl kaum. Aber ich hatte gerade ein wichtiges Telefonat am Ohr. Das wollte ich nicht unterbrechen«, zicke ich sie an.

    Sie guckt weiter desinteressiert auf das Blatt.
    »Von unserem Stamm-Rolli kann die nicht sein. Der kommt immer erst zwei Minuten vor Feierabend«, überlegt sie.
    »Dann behalte ich sie einfach«, gifte ich die Frau an und versuche, meine Freude nicht zu zeigen.
    Ihr Stamm-Rolli. Das kann ja wohl nur Arne sein. Ich muss also nur kurz vor Ladenschluss hier mal vorbeischlendern und schon kann ich ihn sehen.
    Perfekt.
    Zu Hause lese ich in aller Ruhe den Mist aus der »Bravo«. Langweilt mich eigentlich, aber immer noch besser als Hausaufgaben machen. Ich höre, wie mein Opa nebenan plötzlich schon wieder seine Terrassentür aufreißt. Ich hoffe nur, er hat nicht wieder irgendwas gehört oder gesehen. Die Stille, die nun herrscht, finde ich noch anstrengender. Nach endlosen Minuten, in denen ich die ganze Zeit in das strahlende Zahnpastalachen von Miley Cyrus starre, gehe ich rüber.
    Mein Großvater steht auf seiner Terrasse, hält sich an der Lehne eines Gartenstuhls fest.
    »Alles in Ordnung?«, frage ich vorsichtig.
    »Geht schon, Kind. Geht schon. Geh ruhig.«
    Es geht ihm offenbar nicht gut und er will nicht, dass ich es weiß. Er atmet schwer, sieht irgendwie grau aus im Gesicht.
    »Wenn du was brauchst, sag mir einfach Bescheid.«
    Sein Blick ist eine Sekunde zu lang. Ich weiß genau, was seine Augen sagen: »Was ich brauche? Das ist meine Frau. Meine geliebte Frau. Und Zeit. Viel Zeit. Aber ich will nicht undankbar sein.«
    So ist er. Er tut oft zufrieden und ist doch oft so unglücklich allein.

    Seit zwanzig Minuten lungere ich in der letzten Ecke von diesem blöden Supermarkt rum. Hier gibt es komische Konserven. Corned Beef zum Beispiel. Super-eklig. Hier stehen auch die merkwürdigsten Gewürze, Eintöpfe, die fünf Jahre haltbar sind, und ein ganzes Sammelsurium von Tütensuppen. Weil ich so viel Zeit habe, habe ich die Inhaltsstoffe gelesen. Was irre ist:

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