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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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das Teil aufplatzt und ich mit Eiter vollgespritzt werde. Ansonsten ist die Schule hier Auffanglager für Lehrer, die es woanders nicht geschafft haben. Bei einigen habe ich echt den Eindruck, dass das eine Wiedereingliederungsmaßnahme nach einer Entgiftung oder sonst einer Therapie ist. Aber ich zieh das jetzt hier durch. Einfacher kriege ich mein Abi nirgends.
    ☺ CU Belle Linda.
     
    Linda. In fehlerfreiem Deutsch.
    Klar, dass alle denken, ich hätte das geschrieben.
    Aber wer findet so was?
    Ich tippe sofort los.
    Hallo, ihr. Glaubt ihr wirklich, ich hätte das geschrieben?
    Ich überlege. Natürlich glauben sie das. Warum auch nicht. Ich lösche das wieder.
    Hallo! Ich war das nicht. Warum sollte ich das schreiben? So einen Schwachsinn! Warum sollte ich so fies sein? Das ist nicht von mir. Ehrlich. Eure Linda.
    Eure Linda. Wie schleimig. Und warum sollten andere überlegen, warum ich das geschrieben habe? Ist denen doch egal.
    Ich lösche den Beitrag wieder.
    Tränen tropfen auf die Tastatur.
    Wenn sich jemand vor mich hinstellen würde, mich beleidigen würde. Das wäre okay. Wenn mich jemand bedrohen würde und ich ihm all mein Geld und mein Handy und was weiß ich geben müsste, das wäre auch noch okay. Aber dieser Jemand zeigt sich nicht. Zeigt nicht sein Gesicht. Und er nimmt mir irgendwie meins. Was macht er aus mir?
    Ich war das nicht. Glaubt es oder lasst es. Linda, tippe ich
schnell ins Gästebuch der finnischen Schule und gehe auf »Abschicken«. Und dann verewige ich das auch noch mal sicherheitshalber im Gästebuch von unserer Schule. Bei der Gelegenheit finde ich auch den Link zu meinem angeblichen Eintrag. Er ist dort ohne weiteren Kommentar hinkopiert worden.
    Schon ein paar Minuten später die erste Antwort.
    Wir lassen es. Ein stinkender, pickeliger Schüler, steht da.
    Natürlich glaubt mir keiner. Warum auch?
     
    Ich habe gar nicht gehört, dass Julchen geklingelt hat. Plötzlich steht sie da. Sie guckt mir über die Schulter. Liest die beiden Einträge und lässt sich in den Sessel fallen.
    »Langsam hast du echt ein Problem. Irgendjemand muss dich sehr hassen«, sagt sie ruhig.
    Ich glaube, es ist das erste Mal, dass Julchen nicht versucht, das Ganze runterzuspielen. Dass sie es nicht weggrinsen möchte. Das macht es alles noch aussichtsloser. Dabei weiß sie von einigen der sehr schlimmen Sachen ja gar nichts.
    »Du musst ihnen Zeit geben«, sagt sie leise. »Egal, was du jetzt schreibst. Sie werden dir alle nicht glauben. Ich glaube, alle haben es mittlerweile gelesen. Mir ist es vorhin von fünf unterschiedlichen Leuten erzählt worden. Einer hatte sogar einen Ausdruck dabei«, sagt sie. Sie legt einen Zettel auf den Tisch.
    »Ich kann da morgen nicht hingehen.«
    »Wenn du morgen nicht gehst, musst du überhaupt nicht mehr zur Schule kommen. Das wäre wie ein Schuldeingeständnis.«
    »Ich kann da nicht mehr hin. Weißt du, wie die mich angeguckt haben? Eine Schlampe hat mich angespuckt.«
    Julchen starrt den Teppichboden an. »Ich kann mir vorstellen,
wie ätzend das ist. Für mich ist das ja auch nicht leicht.«
    Ich verstehe die Worte erst nicht wirklich. Ganz langsam dringt der Satz zu mir durch. Erst denke ich, sie meint, dass sie mitleidet, wenn es mir schlecht geht.
    Aber dann wird mir klar: Das meint sie gar nicht.
    Was sie meint, ist: Es ist für sie nicht leicht, mit mir befreundet zu sein.
    »Du meinst, dir könnten auf der Beliebtheitsskala ein paar Punkte hinter dem Komma abhandenkommen? Das wäre natürlich fürchterlich. Wenn es dir hilft, tue ich so, als würde ich dich nicht kennen.«
    »Spinn nicht rum, Linda.«
    Nach ewigen Momenten fragt sie ganz leise: »Weißt du wirklich nicht, wer dahintersteckt? Hast du denn wirklich keine Ahnung? Vielleicht hast du ja noch jemanden im Chat kennengelernt und irgendwie provoziert.«
    Wieso dachte ich bis jetzt, nur meine Eltern würden mir nicht glauben?
    Julchen tut es offenbar auch nicht.
    Ich stehe auf: »Sei mir nicht böse. Aber ich muss noch was für Geschichte tun.«
    Sie rappelt sich auch auf. Im Gehen versucht sie mir ein Abschiedsküsschen auf die Wange zu geben. Ich drehe aber den Kopf weg, sodass sie nur mein Ohr streift.
     
    Als ich aus dem Bad komme, wo ich sehr lange und sehr kalt mein Gesicht gewaschen habe, steht Luise in meinem Zimmer. In der Hand hat sie den Ausdruck des Gästebucheintrages.
    »Mensch, Linda, das hätte ich dir gar nicht zugetraut. Das ist ja der Hammer! Sehr beliebt machst du dich damit

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