Angstspiel
bestimmt nicht.«
»Das ist nicht von mir.«
»Was? Schade. Das ist echt gut. So richtig peng, peng, peng.«
»Genau. Peng, peng, peng - als wollte ich mir’ne Pistole an den Kopf halten.«
»Übertreib mal nicht. Aber wenn du das nicht warst - wer ist denn diese Belle Linda? Kennst du sie?«
Ich hole tief Luft und stelle fest, dass ich gar nicht so viel einatmen kann, wie ich für einen Ausbruch bräuchte.
»War ein doofer Scherz«, sage ich nur.
»Ich wollte eigentlich fragen, ob du mir vielleicht helfen willst.«
»Wobei?«
»Ich wollte ein bisschen Ordnung im Garten schaffen. Den Garten winterfit machen. Unkraut raus, Laub zusammenrechen und so, und ich dachte, du hättest vielleicht Spaß daran, mitzumachen.«
»Du willst Unkraut zupfen und bietest mir netterweise an, diesen Spaß mit dir zu teilen?«
»So ungefähr.«
Sie wirkt nicht mehr ganz so souverän wie sonst.
»Was hast du denn verbrochen?«
»Einen Kratzer.«
»Wo?«
»Im Lack.«
»Im Lack wovon?«
»Von Papas Auto.«
Ich grinse. »So so«.
»Dabei war das eigentlich gar nicht meine Schuld. Das Rad ist quasi von alleine umgefallen, und wenn Papa nicht so doof in der Garage geparkt hätte, wäre auch gar nichts passiert.«
»Papa ist also selber schuld?«
»Ja, irgendwie schon. Aber ich will ihm halt nicht so deutlich sagen, dass er ein schlechter Einparker ist, und
deswegen mache ich jetzt mal was für die allgemeine Stimmung im Haus.«
»Und weil geteilte Freude doppelte ist, darf ich jetzt mitzupfen.«
»Genau. Nett, was?«
Sie zupft oben Unkraut, ich reche unten das Laub zusammen, vor der Terrasse meines Opas. Wie immer hat er die Tür weit offen stehen, obwohl es schon reichlich frisch ist. Ich sehe ihn auf der Couch liegen und schlafen. Natürlich wäre es irgendwie sicherer, er würde vorm Einschlafen die Tür schließen. Auch wenn ihn ganz sicher niemand klauen wird und das technische Equipment in dem Raum (aus den Siebzigerjahren) sicherlich niemanden zu einem Einbruch anstiften würde. Aber durch sein Zimmer kann man ja auch den Rest der Wohnung betreten …
Als ich mich zum Rasen nach oben hochgekämpft habe, treffe ich auf eine sehr zufriedene Luise. Ihr Eimer ist voll. Sie hat offenbar einfach alles rausgerissen, was ihr vor die Gartenhandschuhe kam.
»Ich glaube, die hat Mama erst im Frühjahr gepflanzt«, gebe ich zu bedenken.
»Echt?«
Am Abend habe ich Rückenschmerzen, zwei abgebrochene Fingernägel und schwarze Schmutzränder unter den anderen acht Nägeln. Bis es dunkel wurde, habe ich Luise noch geholfen, die rausgerupften Blumen wieder einzupflanzen. Wir haben nicht mehr ganz die Stellen gefunden, wo sie mal waren, aber immerhin haben wir uns bemüht. Von dem blöden Rosenbusch ist mein rechter Unterarm ganz zerkratzt. Aber dafür habe ich ungefähr für mindestens fünfzehn Minuten den ganzen Scheiß vergessen. Dafür ist der Preis nicht zu hoch.
Ich gehe am nächsten Tag zur Schule. Am Morgen zwischen fünf und sieben Uhr habe ich bestimmt siebzehn Mal meine Meinung geändert, hatte mir sogar schon ein bisschen Creme auf die Zunge geschmiert, damit die so richtig schön belegt aussieht. Doch um kurz nach sieben schrubbe ich die mit der Zahnbürste wieder ab. Ich gehe. Alleine schon, weil ich wissen will, wie Julchen reagiert. Ob sie sich wirklich von mir distanziert? Tut sie vielleicht so, als wäre sie zu beschäftigt, um mit mir zu reden? Das wäre das Allerletzte. Wenn sie mich jetzt fallen lässt, bin ich verloren.
An der Schule angekommen, versuche ich die ganzen Kommentare zu ignorieren, die rechts und links von mir fallen. Ich gehe wie durch ein unsichtbares Spalier. Ich würde jetzt lieber über glühende Kohlen laufen. Oder barfuß durch Hundescheiße.
Als ich mich der Ecke nähere, wo unsere Stufe immer aufs Läuten wartet, sehe ich nur Rücken. Alle drehen sich weg. Ich lehne mich an die Wand, gucke vorsichtig, ob Julchen hier irgendwo ist. Wenn sie schon da ist, muss sie doch jetzt kommen. Sie kann mich doch hier nicht so alleine stehen lassen. Oder befindet sie sich etwa irgendwo in dem Pulk und tut so, als würde sie mich nicht sehen? Nach dem ersten Klingeln leert sich der Schulhof schnell. Nirgends sehe ich die blonden langen Haare.
Ich habe einen Verdacht.
Sie kneift. Sie kneift wirklich. Ihr Platz bleibt leer.
Nie und nimmer ist die krank. Die war gestern absolut fit. Sie weicht mir aus. Wie lange will sie das machen?
Als ich Richtung Treppenhaus gehe, kommt
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