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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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nicht so auf. Vielleicht, weil ich ziemlich spät dran bin. Aber in der großen Pause ist es nicht zu übersehen. Überall, wo ich hinkomme, drehen sich die Leute weg. Gespräche verstummen, wenn ich mich nähere. Ich habe das Gefühl, durch die Pausenhalle zu torkeln und von Blicken gejagt zu werden. Was ist hier los? Julchen hat heute AG-Tag und kommt erst zur zweiten großen Pause. Sie macht irgendeine Tour durchs Rathaus à la »Heute regieren wir«. In mir regiert völlige Orientierungslosigkeit. Was wird hier gespielt? Linda-Bashing? Habe ich ein eitriges Ekzem im Gesicht, einen grünen Popel an der Nase? Ich gehe aufs Klo, gucke mich an. Ich sehe aus wie immer. Merke, wie ich mir fremd in die Augen gucke. Ich sehe vielleicht aus wie immer. Fühlen tue ich mich schon lange nicht mehr so. Kurz bevor die Pause endet, stelle ich mich beim Hausmeister-Büdchen an. Ich brauche jetzt einen Schokoriegel. Als ich dran bin, schließt er das Fenster.
    »Ich will noch einen Riegel«, sage ich verzweifelt.
    Seine Lippen formen zwei Worte. Es sieht aus wie »Du nicht«. Er geht weg. Ich bleibe da stehen. Alle anderen
strömen an mir vorbei. Ich spüre irgendwas an meinem Hinterkopf, drehe mich langsam um. In ein paar Meter Entfernung stehen zwei Jungs. Siebte Klasse vielleicht. Der eine hat noch ein Blasrohr am Mund. Offenbar haben sie mir irgendwas an den Kopf geblasen. Sie grinsen mich gemein an. Ich spurte los. Renne direkt auf sie zu.
    »Was soll der Scheiß? Verpisst euch, ihr Zwerge«, brülle ich.
    Sie bleiben einfach stehen.
    »Verpiss du dich doch, wenn es dir hier nicht gefällt«, sagt der Größere der beiden. Sie drehen sich um und gehen langsam weg.
    Wenn es mir hier nicht gefällt?
    Wie kommen die darauf?
    Natürlich komme ich zu spät zur dritten Stunde. Eigentlich ist der Neufert ein netter. Normalerweise hätte er so was gesagt wie: »Ach, Linda, schön, dass Sie uns auch noch beehren.« Oder so. Er sagt nur: »Setzen Sie sich.« Guckt mich kaum an dabei. Die meisten anderen gucken mich auch nicht an. Nur ein paar abschätzige Blicke verfolgen mich.
    Ich ertrage das nicht. Als ich mitten in der Stunde meine Sachen packe und gehe, brandet Applaus auf. Ich lasse die Tür zufallen. Habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Als ich über den Schulhof zur Treppe eile, spuckt ein Mädchen direkt vor mir auf den Boden. Ich glaube, sie ist in der Stufe über mir.
    Ich gehe auf sie zu.
    »Warum? Warum verdammt noch mal tust du das?«
    Sie lacht höhnisch, wendet sich ein paar anderen Mädels zu, die da rumstehen.
    »Die Neue will wissen, warum ich das mache? Ist sie nicht süß!«
    Sie dreht sich wieder zu mir: »Du hast doch geschrieben,
dass wir das Letzte sind. Provinz-Tussen, die nach billiger Kernseife riechen oder nach dem Billig-Deo aus dem Schlecker. Dass unsere Klamotten im besten Fall von Takko, wahrscheinlich aber aus der Altkleiderbörse wären und dass du dich davor ekelst, die gleichen Toiletten wie wir benutzen zu müssen. Wenn wir so asozial sind, können wir uns doch auch so verhalten, oder?«
    Sie zieht die Nase hoch. Spuckt noch mal. Trifft meine Hose.
    »Was habe ich geschrieben?«
    Ich weiß nicht, was hier abgeht. Ich weiß nicht, in welchem Horrorfilm ich gerade stecke. Ich weiß nur, dass ich hier raus muss.
    »Meinst du, wir sind auch noch blöd? Dann hättest du das besser woanders abgelassen. Oder dir ein besseres Pseudonym zugelegt. Belle Linda. Wie schlau von dir.«
    Sie lacht wieder gemein und gehässig und dreht sich einfach wieder weg.
     
    Meine Finger zittern, als ich zu Hause noch in Jacke und Schuhen in der Suchmaschine »Belle Linda« und den Namen unserer Schule eingebe.
    Was ich suche, finde ich erst auf der vierten Google-Seite. Auf der Homepage unserer Partnerschule in Finnland im Gästebuch. Dort haben finnische Schüler nach dem Schüleraustausch ihre Eindrücke über unsere Schule verewigt. Teilweise auch auf Deutsch. Und eine Belle Linda hat dort ihre Meinung kundgetan. Meine Augen flattern über die Zeilen.
    Es steht wortwörtlich das da, was das Mädchen mir gerade an den Kopf geworfen hat. Und noch mehr: Die Typen sind das absolute Brechmittel. Die meisten haben Mundgeruch. Aber das fällt nicht so auf, weil sie oft tagelang dieselben Klamotten tragen und nach altem Schweiß riechen. Ansonsten könnte
man hier mal einen Feldversuch für Clearasil starten. Wenn mich einer dieser Furunkelträger anquatscht, was leider total oft vorkommt, habe ich immer Angst, dass gleich

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