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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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mir.
    Ich stehe schnell auf. Wenn ich jetzt weiterdenke, wird es gefährlich.
    Ich gehe zum nächsten Supermarkt. Ich kaufe zwanzig Eier. Die ältesten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mir damit etwas einfange, müsste doch somit groß sein. Oder?
    Fast eine Stunde sitze ich mit den zwei Kartons und einem Glas in meinem Zimmer. Muss das wirklich sein? Ich habe das Gefühl, dass sich jetzt schon prickelnde Bläschen an meiner Lippe bilden.
    In der Grundschulklasse haben wir für Ostern mal Eier ausgeblasen. Ein Junge hat nicht geblasen. Er hat gesogen. Er hat das flüssige, glibbrige Zeug runtergeschluckt. Bis die Lehrerin es ihm verboten hat. Das war
so fies. Und damals habe ich es ja nur gesehen. Nicht geschmeckt.
    Als Luise reingestürmt kommt, schmeiße ich schnell meine Jacke über die Eierkartons. Jetzt bloß keine doofen Fragen.
    »He, Süße. Wir können morgen mal wieder zusammen zur Schule gehen. Cool, was?«
    »Wie bitte?«
    Mir ist schlecht.
    »Mit der Berufsschule machen wir morgen einen Ausflug zu deinem Gymnasium. Bei euch ist wohl eine Ausstellung mit Computer-Animationen. Hast du die schon gesehen?«
    Stimmt. Habe ich im Vorbeigehen gesehen. In der kleinen Pausenhalle stehen seit ein paar Tagen Monitore, über die diffuse Bilder flimmern.
    »Ja, kenne ich.«
    »Und ist die gut? Kann die Show was?«
    »Keine Ahnung. Ist nicht so mein Ding. Ich muss übrigens noch lernen.«
    Sie steht auf. »Okay, okay.«
    Die Tür hinter ihr ist noch nicht ganz zu, da habe ich das erste Ei aufgeschlagen und ins Glas entleert. Wenn Luise morgen mit mir zur Schule ginge, würde ich zusammenklappen. Ich würde das nicht durchstehen. Sie darf auf keinen Fall mitkriegen, was gerade bei mir abgeht …
     
    Das Eiweiß glibbert ins Glas. In der durchsichtigen Masse flutschen die Eigelbe von rechts nach links. Es sieht aus, als würde es leben. In zwei Eigelben hängt ein dunkler kleiner Wurm. Heißt das, dass sie befruchtet waren? Dass wirklich kleine Küken da irgendwann rausgeschlüpft wären? Oder sind das Salmonellen? Ist das genau das, was ich brauche? Die erste Packung ist leer. Ich habe zehn Eier
aufgeschlagen, die jetzt vor mir hin und her schwappen. Ich habe das Gefühl, dass ich alleine von dem Anblick krank werde. Ich rühre mit einem Löffel in der Masse rum. Davon wird es irgendwie nicht besser. Meine Speiseröhre schrumpft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jetzt da durchgeht. Dass ich das wirklich runterschlucken kann.
    Ich stelle mir kurz vor, wie Luise morgen mit mir zur Schule geht. Wie die ersten Mitschüler vor mir auf den Asphalt spucken. Wie ich scheinbar zufällig angerempelt werde. Ich spüre Luises Blick von der Seite. Sie würde sich bei mir einhaken. Ganz eng neben mir gehen. Sie würde nicht verstehen, was da passiert, aber sie wäre empört. Wenn dann der erste dumme Spruch käme, würde sie sofort kontern, würde es nicht zulassen wollen, dass mich jemand beleidigt. Im schlimmsten Fall würde sie auch bespuckt. Oder es würden einige der netten Titulierungen fallen, die ich schon so oft gehört habe in den letzten Tagen. Schlampe war noch eine der nettesten.
    Und selbst wenn sie Luise in Ruhe ließen, sie würde irgendwann von mir wissen wollen, was das sollte. Ob ich etwa immer noch nicht aufgeklärt hätte, dass ich nicht Belle Linda sei. Und dann würde sie merken, dass ich mein Leben nicht im Griff habe. Dass ich ohne sie wieder nicht zurechtkomme. Ich würde ihr leidtun. Das will ich nicht.
    Ich setze das Glas an. Plötzlich habe ich den Mund voll mit schleimigem Zeug. Die glitschige Flüssigkeit füllt alles aus. Ich muss mich mit aller Kraft zwingen zu schlucken. Es ist das Widerlichste, was ich je runtergeschluckt habe. Wahrscheinlich ist Blasen dagegen ein Witz. Rechts und links vom Mund läuft flüssiges Ei runter. Es tropft in meinen Ausschnitt. Ich setze noch mal an. Jetzt ist es auch egal. Ich kippe und schlucke, verschlucke mich,
huste kurz, schlucke weiter. Ich ekel mich vor mir selber. Sehe mich hier sitzen inmitten von kaputten Eierschalen, wahrscheinlich tropft mir gerade flüssiges Eigelb vom Kinn. Ich kriege Schüttelfrost. Zumindest fühlt es sich so an. Ich stelle mir vor, wie das Ekelzeug in meinen Bauch fließt.
    Plötzlich habe ich ganz viel Spucke im Mund. Das habe ich immer, wenn ich kurz vorm Brechen bin. Nur das jetzt nicht. Wenn ich das ganze Zeug jetzt wieder auskotze, war alles umsonst. Ich schlucke die Spucke wieder runter. Würge. Versuche ganz ruhig zu

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