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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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alten Robinsonspielplatz vorbei. Leer liegt er da. Für Kinder ist jetzt Essenszeit. Ich sehe unsere Rolle. Das war der Platz von Luise und mir, unser privater Abenteuer- und Lieblingsort. Als wir klein waren, sind wir da Runde für Runde drin gelaufen. Wie Hamster in ihrem Rad. Wir konnten es sogar rückwärts. Seitdem wir nicht mehr aufrecht darin stehen können, haben wir es geliebt, uns da hineinzulegen und nur langsam zu schaukeln. Dabei kann man herrlich quatschen.
    Alleine will ich jedoch nicht in unsere Rolle. Das macht mich nur noch trauriger. Also gehe ich über eine wackelige Brücke zu einem Holzturm, krieche durch das kleine Loch hinein, zwänge mich in die oberste Etage. Ich fülle sie fast ganz aus.
    Eigentlich ist es doch noch gar nicht so lange her, dass ich ganz ausgefüllt war. Von Plänen. Was hatte ich mich gefreut, dass ich es aufs Gymnasium geschafft hatte. Ich war so gespannt darauf gewesen. Und ich war auch stolz, dass ich mich endlich ein bisschen von Luise gelöst hatte. Aus ihrem Schatten gelöst hatte. Es war so ein Gefühl wie mit fünf Jahren, als ich behauptet hatte: »Ich brauche keine Stützräder mehr am Fahrrad.« Ich wusste nicht, ob ich sie noch brauchte. Aber ich wollte sie eben nicht mehr brauchen. Manchmal hatte ich mir sogar schon vorgestellt, was ich nach dem Abi machen würde. Ich wollte an die Uni gehen. Klar. Ich hatte mir vorgestellt, wie ich in einer Studenten-WG lebe. Manchmal hatte ich mir auch vorgestellt, dass Luise mit mir da wohnen würde. Sie könnte ja nach der Ausbildung noch gut ihr Fach-Abi machen. Mit Luise zusammen hätte ich mir auch vorstellen können, richtig weit weg zu gehen. Nach Berlin. Oder München.

    Und jetzt traue ich mich nicht mal mehr zur Schule. Nicht mal mehr ins Leben. Will nur in mein kleines Keller-Mauseloch. Was das Schlimmste ist: Ich weiß nicht, warum. Warum will mich jemand zerstören? Mich demütigen? Was muss ich demjenigen angetan haben? Warum hat jemand so einen Spaß daran, mich zu quälen? Ist es wohl ein Zwang? Zieht er daraus eine Befriedigung? Ich winkle die Beine an, mache mich noch kleiner und versuche mich zu spüren. Immer häufiger habe ich in letzter Zeit das Gefühl, zu zerfließen. Ich spüre mich nicht mehr als mich. Fühle mich als große Angstwolke. Fühle mich so fürchterlich nackt. Auch angezogen. Ich habe mir angewöhnt, mich andauernd umzudrehen. Plötzlich, ruckartig. Starre immer wieder in überraschte Gesichter. Frage mich immer: Ist er das? Oder das?
     
    Zu Hause recherchiere ich weiter im Internet. Die Bilder von den Verbrennungen verfolgen mich. Das schaffe ich nicht. Ich kann mir nicht heißes Öl oder so was über die Beine kippen. Alleine bei der Vorstellung zieht sich alles in mir zusammen. Also brauche ich eine leichte Vergiftung. Die meisten Vergiftungen stammen durch Tabletten, erfahre ich. Tabletten machen mir Angst. Und ich wüsste auch gar nicht, welche und wie viele ich schlucken müsste. Und überhaupt: Tablettenvergiftungen führen entweder zum Tod oder zu einem ausgepumpten Magen und vielen Fragen. Und dann sieht es nach Suizidversuch aus. Ich bin wieder der Psycho. Nein. Nein. Salmonellen klingen vielversprechend. Zumindest langwierig. Das wäre vielleicht eine Lösung. Salmonellen holt man sich durch rohe Eier in irgendwelchen Soßen oder Süßspeisen. Ich könnte die Eier ja einfach so essen und hoffen, dass es klappt. Ich bekäme Durchfall, wäre schlapp, hätte Kreislaufprobleme. Vor allem wäre ich total ansteckend.
Keiner dürfte zu mir. Julchen würde sich bestimmt sehr freuen, wenn ich ihr das schreibe. Da wäre sie schön aus dem Schneider. Sie könnte einfach behaupten, dass sie mich ja »ach, so gerne« besucht hätte, aber dass es ja »leider, leider« nicht ginge.
    Ich überlege, ob es nicht einfacher wäre, das alles zu simulieren. Ich bin keine gute Schauspielerin. Wahrscheinlich würde ich so übertreiben, dass meine Eltern mich ins Krankenhaus bringen würden. Die machen dann zwei, drei Untersuchungen und schon steht fest, dass ich nichts habe. Oder schlimmer: Es steht fest, dass ich organisch gesund bin - und ich komme in die geschlossene Abteilung.
    Wäre das schlimmer? Wäre ich in einer geschlossenen Abteilung nicht womöglich sehr sicher? Da kommt keiner raus. Da kommt aber auch keiner rein.
    Nein. Er käme rein.
    Oder will er mich genau da haben?
    In der Klapse?
    Manchmal denke ich ja selber schon, dass ich da hingehöre. Da sind so viele verwirrte Gedanken in

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