AnidA - Trilogie (komplett)
beobachtet und war dann hinter Albuin hergeschlichen. Sie hatte an seine Zimmertür geklopft, und als er nicht antwortete, war sie eingetreten, um zu entdecken, dass das Fenster offen stand und ihr Bruder über das Spalier hinausgeklettert war. Dem dummen Mädchen war daraufhin nichts Besseres eingefallen, als die Treppe hinunterzustürmen und die unerhörte Nachricht lautstark zu verkünden. Als Albuin sich spät am Abend wieder durch das Fenster hereinstahl, fand er seinen wutschnaubenden Vater vor, der ihn für den Rest der Woche bei Wasser und Brot in der Kammer einsperrte. Amali hatte sich zwar hinterher – wenn auch etwas schnippisch – bei ihrem Bruder entschuldigt, aber Ida wusste um Albuins nachtragendes Wesen. Er hatte den Vorfall nicht vergessen und wartete seitdem geduldig auf die Gelegenheit, es ihr heimzuzahlen.
»Jetzt rück schon raus damit!« Albuin griff nach Idas Handgelenk und verdrehte es. »Was stellt sie an, los, komm! Du weißt es doch, du raffinierte kleine Kröte. Spuck's schon aus!«
Ida kniff die Lippen zusammen und machte sich frei. Ihr Bruder mochte ja der Ältere sein, aber sie war größer und trotz ihrer Magerkeit auch durchaus stärker als er – ein Umstand, der ihn nicht gerade zu erheitern pflegte, wenn sie ihn daran erinnerte.
»Sie geht heute Abend sicher wieder in die Laube. Gestern hat sie stundenlang dort ausgefegt. Ich dachte, ich würde noch mehr zu sehen bekommen, aber sie hat wirklich nur saubergemacht. Deshalb glaube ich, dass heute in der Laube etwas vor sich gehen wird.«
Albuin starrte sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Was glaubst du, was sie dort tut?«
Ida verdrehte ungeduldig die Augen. »Sie hat ein Stelldichein, das ist doch wohl klar. Vielleicht hat ihr Verlobter ihr ein Treffen schmackhaft gemacht. Wahrscheinlich hat Eiliko keine Lust mehr, bis zu ihrer Vermählung zu warten.«
Albuin starrte sie immer noch an. »Vielleicht hast du Recht.« Er klang nicht überzeugt.
»Sollen wir uns nachher dort auf die Lauer legen, was meinst du? Wir könnten sie überraschen, und wenn sie uns nicht irgendetwas schenken, drohen wir damit, dass wir sie verraten!« Ida strahlte über beide Ohren.
Albuin zuckte desinteressiert die Achseln. »Das ist kindisch, Ida. Nein, ich habe wahrlich Besseres zu tun.« Er rutschte von der Mauer und stolzierte zum Haus zurück. Ida starrte ihm sprachlos hinterher.
»Kindisch, pah! Dir werd ich noch mal was erzählen, du – du Zauberkünstler!«
»Seid gegrüßt, Prinzessin«, erklang es hinter ihr.
Sie fuhr wie ertappt herum und lächelte erleichtert. »Hallo, edler Ritter. Seid Ihr wieder auf dem Weg, eine Heldentat zu vollbringen?«
Simon legte seine Hand auf die Brust und vollführte eine schwungvolle Verbeugung. Sein kantiges Gesicht erschien ihr ungewohnt sanft in dem rötlichen Licht der untergehenden Sonne. »Gibt es irgendwelche Drachen, die Euch ärgern, meine Dame? Euer allergetreuester Diener wird eilen, Euch von ihnen zu befreien.«
Er kam an ihre Seite und nahm ihre Hand, um sie zart auf die Fingerspitzen zu küssen. Ida entzog sie ihm hastig. »Was fällt Euch ein, edler Ritter? Geht, befreit die Welt von Ungeheuern. Und außerdem, was würde die schöne Gwennis dazu sagen, wenn sie Euch hier mit mir sähe?«, setzte sie boshaft hinzu.
Der junge Ritter zuckte nur kurz mit den Lidern und bewahrte ansonsten eine gleichmütige Miene. »Die schöne Gwennis? Wie kommst du denn darauf, Prinzessin?«, fragte er unschuldig.
»Oh, ist sie etwa nicht mehr deine Favoritin, Simon?«, neckte Ida. »Sollte mir da wahrhaftig etwas entgangen sein? Armes Ding, wer hat sie in deiner Gunst ausgestochen? Etwa unsere Köchin?«
Simon wurde wirklich und wahrhaftig rot im Gesicht, stellte sie interessiert fest. Hatte ihre Neckerei etwa einen wunden Punkt berührt? Sicher war es nicht die Köchin, Corina war doppelt so alt wie der junge Mann und beinahe dreimal so dick. Aber vielleicht hatte die neue Zofe, die seit dem Ende des Winters ihrer Tante aufwartete, sein Auge auf sich gezogen. Hübsch war sie ja, wenn auch etwas pummelig. Aber Männer schienen es ja zu mögen, wenn eine Frau nicht zu mager war.
»Entschuldige mich, Ida«, sagte Simon jetzt hastig. »Ich muss noch etwas erledigen.« Er beugte sich zu ihr herüber und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, ehe er davoneilte. Ida legte die Hand auf ihr glühendes Gesicht und sah ihm verdutzt nach. Was mochte nur in ihn gefahren sein, so seltsam benahm er sich doch sonst
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