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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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sie mit einer Nadel gestochen.
    »Komm, wir gehen schwimmen.« Ich nahm sie behutsam bei der Hand. Sie folgte mir willenlos und stumm zum See. Zu meinem Erstaunen ließ sie sich bereitwillig in das kühle Wasser gleiten, um eine Weile zu schwimmen. Als sie schließlich neben mir im weichen Gras in der Sonne lag, war ihr Gesicht zum ersten Mal wieder entspannt und ruhig. Sie lag mit geschlossenen Augen da und genoss die Wärme auf ihrer Haut. Ich griff nach ihrer Hand, und unsere Ringe berührten sich mit einem sanften Klingen. Ida wandte mir das Gesicht zu, öffnete aber nicht die Augen.
    »Du siehst es wirklich nicht, oder?«, fragte sie leise. Ich hob ratlos die Schultern. Sie löste ihre Hand aus meinem Griff, um nach ihren Kleidern zu greifen und sich anzuziehen. Als sie den Gürtel schloss, verharrten ihre Finger über ihrem schmalen Messer, und sie runzelte beinahe ärgerlich die Stirn.
    Mit einem unwilligen Laut zog sie das Messer aus der Schlaufe und wog es in der Hand. Ehe ich reagieren konnte, stieß sie die Klinge in ihre Hand und trieb sie hindurch, bis das Heft gegen die Handfläche stieß und die blutige Spitze weit aus ihrem Handrücken ragte. Ein winziges Rinnsal Blut lief aus der Wunde über ihre Finger und tropfte auf das Gras. Idas Gesicht war friedlich und zeigte keine Spur von Schmerz.
    »Bist du wahnsinnig geworden?«, schrie ich sie an. Sie lächelte sanft und schlug mit dem Handrücken fest auf ihr Bein. Die Messerspitze drang tief in den Oberschenkel ein und nagelte ihre Hand darauf fest.
    Ich griff nach dem Messer und zog es behutsam heraus. Aus der klaffenden Wunde in Idas Hand sprudelte nun stark das Blut. Auch auf ihrem Hosenbein bildete sich ein dunkler Fleck, der sich langsam ausbreitete. Kurz entschlossen riss ich einen Streifen Stoff von meinem Hemd und wickelte ihn um Idas blutende Hand. Ida betrachtete seltsam distanziert mein Tun. Sie gab keinen Laut von sich. Ihr Gesicht zeigte einen sanft verwunderten Ausdruck, gerade so, als frage sie sich, warum ich eigentlich dieses ganze Getue um sie machte. Ich zog meine Hose und meine Jacke an und blickte auf meine Schwester, die ihr Gesicht der Sonne zugewandt hatte und still in sich hineinlächelte. Mir war angst und bange um sie.
    »Hast du die Krähe gesehen?«, fragte sie träumerisch. Die verbundene Hand ruhte in ihrem Schoß, und die Finger regten sich sacht.
    »Welche Krähe?«
    Sie hob die Schultern in einer ungeduldigen Geste. Dann deutete sie beinahe zornig auf meine Lederjacke. Ich schüttelte den Kopf und griff in die Tasche, um die kleine Holzkrähe herauszuziehen und sie Ida in die unverletzte Hand zu drücken. Ida betastete die Figur und presste die Lippen zusammen.
    »Ah!«, sagte sie unwillig. Es klang so sehr wie Jinqx, dass ich zusammenzuckte. »Du siehst es nicht, oder?«, wiederholte sie die Frage, die sie schon einmal gestellt hatte. Ich schüttelte nur stumm und verwirrt den Kopf.
    Ida sah mich beinahe mitleidig an. Ihre Augen waren von einer sternenfunkelnden Nachtschwärze. »Vielleicht kann ich es dir zeigen«, sagte sie unvermittelt. Ein silbriger Wolkenschatten zog über ihre Augen. Sie griff nach meiner Hand, dass unsere Ringe sich sacht berührten, und legte die Finger der anderen an meine Wange.
    So standen wir einige Augenblicke lang reglos da. Ein kalter Hauch zog durch meinen Kopf. Lange, fremde Finger schienen nach meinem Geist zu greifen und ihn unbarmherzig zu packen und zusammenzupressen. Mein Blick verschwamm auf Übelkeit erregende Weise. Ich musste an mich halten, um nicht vor Entsetzen aufzuschreien.
    »Siehst du es jetzt?«, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Der Griff der eisigen Hand um mein Bewusstsein verstärkte sich, bis mein Atem stockte und feurige Funken vor meinen Augen stoben. Ich war nicht mehr in der Lage, mich zu bewegen. Alles, was ich ansah, die Bäume, der kleine See, der Himmel über uns, die vorüberziehenden Wolken, bekam ein krankes, falsches Aussehen. Die Farben veränderten sich, wurden giftig und bösartig. Die Konturen der Dinge erzitterten und verschwammen, verdoppelten sich und schoben sich ineinander. Die Bäume griffen mit bedrohlichen Krallenhänden nach mir, das hohe Gras schlang sich messerscharf um meine Knöchel, um mich zu fesseln und zu zerfleischen. Der glühende Himmel, aus dem eine schwarze Sonne stach, senkte sich tonnenschwer auf mich herab, und der See schien mich wie die leere Augenhöhle eines Totenschädels anzugrinsen.
    Ich würgte und kämpfte mit

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