AnidA - Trilogie (komplett)
Hundeaugen und musste schlucken. »Du hast mir schon wieder aus der Klemme geholfen«, sagte ich schroff, um meine Rührung zu verbergen. »Lass dir das ja nicht zur Gewohnheit werden, Kleiner, hörst du?« Er nickte fröhlich.
»Lasst uns aufbrechen«, befahl Ylenia ungeduldig. »Ich befürchte, dass wir hier nicht in Sicherheit sind. Ich würde mich besser fühlen, wenn wir wenigstens einen Tagesritt von dieser verfluchten Zitadelle fort sind.«
Unsere Rückreise zum Großen Nest gestaltete sich weitaus weniger anstrengend, als ich befürchtet hatte. Wir wurden durch keinerlei Widrigkeiten aufgehalten, und schneller als erhofft erreichten wir den endlosen Wald, der den gigantischen Baum beherbergte. Dennoch ritten wir in einer niedergeschlagenen und düsteren Stimmung dahin, die jeden Reisetag zur Qual machte, denn Idas Verhalten war seltsam und beängstigend.
Während der ganzen Zeit ritt sie schweigsam und wie eine Fremde neben uns her. Ihr Gesicht war bleich und angespannt, und immer wieder schüttelte sie den Kopf oder rieb sich die Augen. Hin und wieder spürte ich, wie Idas ferner Blick auf mir ruhte, aber sie richtete kaum einmal aus eigenem Antrieb das Wort an mich oder an eine der anderen. Manchmal schienen ihre Augen durch das, was sie umgab, hindurchzusehen auf eine seltsame, Furcht erregende Erscheinung, und dann war ihr Gesicht voller Angst und Ekel. Sie schreckte zusammen, wenn Ylenia oder jemand anderes sie berührte, und vermied ihrerseits jeden körperlichen Kontakt zu ihren Begleiterinnen.
Ihr ganzes Benehmen glich mit jedem verstreichenden Tag mehr dem einer Geisteskranken. Ich sah die Blicke, die Ylenia und Tallis miteinander wechselten und die nur allzu beredt von ihrer Sorge um den offensichtlich zerrütteten Geist meiner Schwester sprachen. Als sich unsere Reise dem Ende zuneigte und wir uns ein letztes Mal um das Feuer zum Schlafen niedergelegt hatten, hörte ich, wie sie und Tallis sich leise miteinander berieten. Beide waren sich einig darüber, dass Ida der Last, die sie zu tragen hatte, nicht länger gewachsen war, und fragten sich, wie lange ich noch die Bürde der Herzen ertragen konnte, ehe auch ich zusammenbrach. Ylenia war fest entschlossen, uns so schnell wie eben möglich davon zu befreien.
Ich lauschte stumm und mit angehaltenem Atem ihren leisen Worten. Ida, die neben mir lag, regte sich sacht. Tallis und Ylenia waren verstummt und lagen reglos in ihre Decken gewickelt neben dem verlöschenden Feuer. Ich blickte noch eine Weile nachdenklich in die rötlich verglimmende Glut. Ida wälzte sich herum und murmelte etwas.
»Was hast du?«, fragte ich bang und ohne große Hoffnung auf eine Antwort.
Sie seufzte und drehte sich zu mir. »Ich weiß es nicht«, hauchte sie. »Irgendetwas stimmt nicht mit meinen Augen. Ich sehe Dinge, die es eigentlich nicht geben dürfte ...« Sie stockte, und ich hörte ihren mühsamen Atem. »Alles sieht falsch aus und fühlt sich falsch an. Falsch und böse. Ich sollte froh sein, dass sie uns aus der Zitadelle gerettet haben, aber ich habe Angst, Eddy. Hat Tallis Recht, bin ich den Herzen nicht gewachsen und werde langsam verrückt?«
Ich schwieg bedrückt. Ich wollte Ida beruhigen, aber mir fiel nichts ein, was ich ihr hätte sagen können. »Schlaf nur«, sagte ich matt. »Morgen Abend sind wir zu Hause im Nest, und dann wird alles gut. Das alles ist sicher nur eine Nachwirkung des Schreckens, den du erlitten hast.«
Es klang nicht besonders überzeugend. Ida drückte stumm und mutlos meine Hand und rollte sich wieder in ihre Decke ein. Ich lag noch lange wach und starrte ins Dunkel, ehe meine brennenden Augen zufielen und ich in traumlosen Schlummer sank.
Am späten Nachmittag des nächsten Tages erreichten wir das Große Nest. Ich war überrascht darüber, mit welch heimatlichen Gefühlen ich an dem riesigen Baum emporblickte, als wir auf den Transportkorb warteten, der uns hinauftragen sollte. Mein altes Schlafnest erwartete mich schon, und ich grub mich wohlig in die weich gepolsterte Kuhle.
Meiner Schwester begegnete ich am nächsten Tag, als ich mich auf den Weg zu meinem Badeteich machen wollte. Sie stand verloren zwischen den Wurzelwällen auf dem weichen Waldboden und blickte mit diesem wahnsinnigen Ausdruck in ihrem blassen Gesicht auf die Bäume, die die Lichtung umgaben. Sie wirkte auf mich wie ein Tier in der Falle, das verzweifelt nach einem Ausweg suchte. Ich sprach sie leise an, und sie fuhr zu mir herum, als hätte ich
Weitere Kostenlose Bücher