AnidA - Trilogie (komplett)
stumm den Kopf schüttelte, umarmte sie mich tröstend. Abends saßen wir für gewöhnlich zusammen in der behaglich vom Herdfeuer gewärmten Küche und tranken Tee. Großmutter ließ sich erzählen, wie mein Leben seit unserer Trennung verlaufen war, und berichtete ihrerseits von den ungezählten Welten, die sie auf ihrer Flucht vor ihrer dunklen Verfolgerin aufgesucht hatte. Sie hatte dem Wesen, das so hartnäckig auf ihrer Fährte geblieben war, nach Jahren der unablässigen Bedrohung endlich den Zugang zu ihrer Fluchtburg versperren können, aber noch jetzt schreckte sie manches Mal aus schweren Träumen, in denen sie von der Botin des Todes immer weiter durch die Endlosigkeit der Welten und Dimensionen gehetzt wurde.
»Die Zeit wird knapp«, sagte sie an einem dieser friedvollen Abende, nachdem wir lange geschwiegen und in das lodernde Herdfeuer geschaut hatten.
»Was meinst du, Großmutter?«
Sie antwortete nicht gleich, und ein tiefer Atemzug hob ihre Brust. Ter'nyoss schillerte grünlich-schwarz und kalt. »Der rechte Zeitpunkt zur Erweckung des Herzens der Welt ist nahe«, sagte sie endlich und wandte mir ihren bernsteingoldenen Blick zu. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, um Anida zu überzeugen, meine Kleine.«
In ihrer Stimme war kein Vorwurf, dennoch fühlte ich mich getroffen. »Ich habe getan, was ich konnte«, verteidigte ich mich. »Ida hört nicht auf mich, Großmutter. Warum kannst du nicht einmal mit ihr ...«
Sie unterbrach mich mit einer scharfen Handbewegung. »Das hätte keinen Sinn. Sie vertraut mir nicht, Adina, nicht so wie du. Nein, du bist die Einzige, die etwas erreichen kann. Aber die Zeit drängt.«
Ich schwieg, den Blick auf meine Hände gesenkt. »Was, wenn es mir nicht gelingen sollte?«, fragte ich nach einer Weile bedrückt.
Großmutter legte ihre schlanke Hand auf meine und drückte sie zärtlich. »Sorge dich nicht, mein Liebling. Das alles ist meine Schuld. Ich habe mich so sehr darauf verlassen, dass du mir hilfst, dass ich darüber deine Schwester aus den Augen verloren habe. Ich kann nicht von ihr erwarten, dass sie mir vertraut. Nicht nach allem, was ihr beide durchgemacht habt.« Ich hob den Blick und sah sie fragend an. Sie hatte mir nicht geantwortet. Aber ich musste meine Frage nicht wiederholen, und sie musste mir nicht laut antworten. Ich las die Antwort in ihren unergründlich tiefen Augen. Ich seufzte. Es gab keinen anderen Weg, das wusste ich auch, wenn ich ehrlich zu mir war. Wenn Ida sich weigerte, uns zu helfen, musste Großmutter ihr die Herzen gegen ihren Willen abnehmen.
»Sie wird sterben«, wandte ich halbherzig ein. Großmutter schloss schmerzlich berührt die Augen.
»Wenn wir den Zeitpunkt versäumen, Ter'terkrin zu erwecken, werden wir alle sterben«, sagte sie unerbittlich.
»Wann wirst du es tun?«
Großmutter wich meinem Blick aus. »Du wirst es für uns tun müssen. Sie wird mich nicht an sich heranlassen, Adina. Dir vertraut sie. Du kannst sie ihr nehmen, wenn sie schläft, dann wird sie es nicht gleich spüren. Ich werde etwas in ihren abendlichen Tee tun, das sie betäubt. So bemerkt sie vielleicht noch nicht einmal, was mit ihr geschieht.«
Sie verstummte und presste die Lippen zusammen. Ich fror trotz der Hitze des Herdfeuers. Nichts würde die entsetzlichen Schmerzen betäuben können, die der Raub der Herzen ihr verursachen würde. Da wäre es noch barmherziger, ihr zuvor die Kehle durchzuschneiden.
»Wann?«, fragte ich kurz, weil ich der Festigkeit meiner Stimme nicht recht traute. Großmutter drückte mitfühlend meine Schulter.
»Morgen Nacht. Ich werde alles dafür vorbereiten, meine tapfere kleine Enkelin.«
Als ich wie üblich am nächsten Morgen Ida ihr Frühstück brachte und ihren Verband wechselte, musste ich mich sehr zusammenreißen, um mir nichts anmerken zu lassen. Sie war wach, als ich das Zimmer betrat. Ihr blindes Gesicht war dem Fenster zugewandt, und ihre Finger betasteten unruhig das Lederbeutelchen, in dem sie die kostbaren Herzen verwahrte.
Ich stellte das Tablett ab und setzte mich auf die Bettkante. »Wie hast du geschlafen?«, fragte ich, während mein Magen sich vor Elend zusammenkrampfte. Ich löste den dünnen, vollkommen undurchsichtigen Verband und rollte ihn sorgsam zusammen. Ida wandte mir ihr Gesicht mit den zerstörten Augen zu. Ihre Lippen verzerrten sich in einem kurzen Moment des Schmerzes. Ich strich behutsam die angenehm riechende Salbe auf die verbrannten Lider und nahm den sauberen
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