AnidA - Trilogie (komplett)
Verband vom Tablett.
Ida griff nach meinem Handgelenk und ließ mich innehalten. Sie holte bebend Luft, und ihre Lippen begannen zu zittern. »Bitte«, flehte sie leise und verzweifelt. »Bitte, Eddy. Tu das nicht.«
Ich löste sanft ihren Griff. »Es dauert sicher nicht mehr lange. Die Salbe hilft wunderbar, und deine Wunden verheilen sehr gut.« Die Falschheit, die hinter diesen Worten lag, schmerzte mich wie ein scharf geschliffenes Messer, das in meiner Brust steckte. Wenn ich Ida doch nur das Schicksal ersparen könnte, das sie sich mit ihrer Sturheit eingehandelt hatte! Ich befestigte den Verband und legte meine Hände hilflos in den Schoß, während Ida zurücksank in das Kissen, das Gesicht zu einem trockenen, lautlosen Weinen verzerrt.
»Ida«, bat ich. »Warum willst du uns nicht helfen? Wenn es Großmutter nicht gelingen sollte, das Herz der Welt zu erwecken, wird das unser aller Ende bedeuten.«
Ida hob die Hände an ihre verbundenen Augen. »Sie wird uns töten, wenn wir ihr die Herzen ausliefern«, sagte sie hoffnungslos. »Mich sowieso, aber auch du wirst sterben, Eddy. Siehst du es denn nicht?«
»Ich verstehe nicht, wie du so sprechen kannst. Sie ist unsere Großmutter, Ida. Sie könnte uns niemals etwas zuleide tun.«
Ida krampfte die Hände um ihren Kopf. »Sie hat Albi getötet. Er war ihr Enkel, unser Bruder, Eddy. Das hat sie nicht daran gehindert, ihn umzubringen, als er ihr im Wege stand.« Sie ließ matt die Hände sinken und wandte das Gesicht ab. »Sie hat dich geblendet, so wie mich. Erinnere dich, Eddy. Sie kann uns die Herzen nicht gegen unseren Willen abnehmen, wir müssen sie ihr freiwillig überlassen. Wenn du hart bleibst, haben wir vielleicht noch eine Chance. Aber das verfluchte Herz des Todes hat dich schwach gemacht und dir deinen klaren Kopf genommen. Wir sind verloren, Eddy. Verloren ...«
Ich stand auf und wandte mich heftig zur Tür. Sie verdiente es nicht anders. Ich hatte es versucht, jede verdammte Minute hatte ich versucht, sie zu Verstand zu bringen. Mehr konnte ich nicht tun. Sollte es nun seinen Lauf nehmen.
»Eddy«, rief sie weich, als ich die Tür öffnete. Ich verharrte, und sie sagte: »Ich liebe dich, meine Schwester. Denk über meine Worte nach, und ...« Sie zögerte, und ich fühlte einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen. »Befrage die Krähe«, setzte sie laut und klar hinzu. Ich floh aus dem Zimmer wie von Geistern gejagt und knallte heftig die Tür zu.
Den Rest des Tages drückte ich mich im Hause herum und grübelte über Idas Worte nach. Was hatte sie nur damit gemeint: Befrage die Krähe? Irgendwo in meinem Geist kratzte und biss eine Antwort, aber der Nebel über der Ahnung wollte nicht recht weichen. Ich war nicht böse darüber, denn mir schien, dass es eine überaus schmerzhafte Erkenntnis sein würde.
Großmutter war fort und hatte uns allein gelassen. Ich war in meiner Ruhelosigkeit auch mehrmals an die Haustür gegangen und hatte auf die stille, heruntergekommene Straße geblickt. Meine Hand glitt in die Tasche meiner Jacke und spielte mit dem hölzernen Talisman, den ich aus unerfindlichen Gründen schon seit einer halben Ewigkeit mit mir herumschleppte. Ich erinnerte mich schon lange nicht mehr, woher ich das Ding hatte, aber der Vogel beunruhigte mich auf unklare Weise, wenn ich ihn berührte.
Großmutter kam gegen Abend zurück und ließ sich stumm und müde neben mir auf der Küchenbank nieder. »Ich habe alles vorbereitet.« Sie suchte mit einem ermutigenden Lächeln meinen Blick. »Geh jetzt, mein Liebling, und erfülle deinen Teil unserer Aufgabe.«
Ich erhob mich gehorsam. Den ganzen langen Tag hatte ich darüber nachgedacht, wie ich Idas Schicksal noch abwenden könnte, aber ohne Erfolg. Es blieb mir nun nichts anderes, als meiner Schwester ihren sorgsam gehüteten Schatz zu nehmen und sie damit zu töten. Schweren Herzens erklomm ich die steile Treppe und blieb einen Moment lang vor der Tür zu Idas Zimmer stehen, um zur Besinnung zu kommen. Dann holte ich tief Luft und trat ein. Das dämmrige Licht im Zimmer narrte meine Augen. Ich stand neben dem Bett und sah ungläubig darauf nieder, dann drehte ich mich hastig um und durchforschte den kleinen Raum. Es gab keine Ecken oder Winkel, in denen sich eine groß gewachsene Frau hätte verbergen können. Das Zimmer war leer.
Ich hastete die Treppe hinunter und berichtete atemlos von Idas Verschwinden. Großmutter hörte reglos zu, dann stützte sie in einem Moment der
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