AnidA - Trilogie (komplett)
erwiderte ich kurz. »Großmutter braucht unsere Hilfe, um das Herz der Welt wieder zu finden. Meinst du, du bist kräftig genug, um ihr und mir beizustehen?«
Ida verzog schmerzlich das Gesicht und betastete hilflos den Verband über ihren Augen. »Ich weiß nicht. Es ist so beängstigend, nicht mehr sehen zu können. Ich meine damit nicht die normale Sicht, sondern ...« Jetzt stockte sie. Ich musterte sie scharf. Ihr Kopf wandte sich ruhelos von einer Seite zur anderen. »Meine innere Sicht«, vollendete sie leise ihren Satz. »Das, was mir meine Augen in der Zitadelle nicht zeigen konnten. Ich habe Angst, Eddy. Ich kann nicht mehr entscheiden, was richtig und was falsch ist. Ich kenne unsere Großmutter nicht, ich weiß nicht, was sie plant. Wenn sie die Schwarze Magierin ist, trägt sie die Schuld an all dem, was uns widerfahren ist. Sie hat Albuin getötet.«
»Ida, sie ist unsere Großmutter! Sie will uns nichts Böses, warum auch? Wir haben die Herzen, und wenn wir ihr helfen ...«
»Aber das ist es doch«, unterbrach Ida mich heftig. Ihre Finger gruben sich schmerzhaft in meinen Arm. »Die ganze Zeit hat sie versucht, uns die Herzen zu entreißen und jetzt auf einmal kommt sie an und bittet höflich um Hilfe? Eddy, was ist denn los mit dir?«
Ich schluckte. In meinen Adern spürte ich noch immer das Echo der Kraft, die Ter'nyoss mir verliehen hatte. Mein Blut brannte vor Verlangen, sie mir wiederzuholen, in meinen Händen zu halten und niemals wieder herzugeben. Es war ein unstillbarer Hunger, der an meinen Eingeweiden riss und knurrte wie ein Wolf.
»Eddy«, drängte Ida und rüttelte mich. »Warum sagst du nichts?«
Ich machte mich unsanft los und stand auf. »Hilfst du uns nun oder nicht?«, fragte ich schroff.
»Was wird geschehen, wenn ich nicht einwillige?« Ich vernahm mit meinen durch Ter'nyoss geschärften Sinnen die sorgsam verborgene Furcht unter ihren Worten und antwortete nicht, sondern wandte mich lautlos zur Tür.
Ida drehte das blinde Gesicht nicht fort von der Stelle, wo sie mich noch vermutete. »Was wird geschehen?«, wiederholte sie. Ihre Stimme klang schrill.
Ich öffnete die Tür. Das leise Geräusch der Klinke ließ Ida schreckhaft herumfahren. »Ich frage Großmutter«, sagte ich sanft und schloss die Tür hinter mir.
Großmutter stand still und hoch aufgerichtet am Fuß der Treppe und sah mir entgegen. Ihr Gesicht war ruhig. »Nun?«, fragte sie, und ich hob die Schultern.
»Sie traut dir nicht. Aber ich kriege sie so weit. Keine Sorge.«
Sie lächelte und mir wurde warm ums Herz. »Ich sorge mich nicht, meine Kleine.« Sie umarmte mich. »Ich weiß ja, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
In dieser Nacht schlief ich in Großmutters Bett, geborgen und friedlich. Durch meine Träume geisterte Ter'nyoss und ließ mich nahezu vergehen vor Lust und Verlangen nach dem dunklen, machttrunkenen Rausch, den sein Besitz mir versprach. Das beständige Pochen seiner beiden kleineren Schwestern untermalte das verführerische Dröhnen des Schwarzen Herzens und hämmerte seinen Namen unauslöschlich in mein brennendes Gehirn.
Die folgende, nicht mit irdischen Uhren messbare Zeit verbrachte ich wie in einen düster glühenden Nebel gehüllt. Meine Großmutter hielt ihr Versprechen und begann mich in ihrer geheimnisvollen Kunst zu unterweisen. Ich saugte das neue Wissen ein wie ein Schwamm; es war, als benutzte eine andere, stärkere Macht mich als ihr Werkzeug und füllte meinen Geist mit dunklem Erkennen. Es war, als erinnerte ich mich an etwas, was ich einst gewusst und wieder vergessen hatte. All das geschah beinahe vollständig wortlos und wurde begleitet von dem beständigen Dröhnen des Schwarzen Herzens.
Zwischendurch kümmerte ich mich um meine Schwester. In dem Maße, in dem meine magischen Fähigkeiten wuchsen, schienen Idas Kräfte stetig zu schwinden. Stumm und blass lag sie in dem kleinen Zimmer und richtete kaum mehr das Wort an mich. Ich redete mit ihr, sprach von der Liebe und Sorge, die Großmutter für uns beide empfand, und von der Hoffnung, dass Ida ihr und mir bei dem großen Werk beistehen werde. Aber Ida drehte nur ergeben und stumm den Kopf zur Wand und ließ meine Handreichungen reglos über sich ergehen. Kein Zeichen deutete darauf hin, dass sie sich jemals anders besinnen würde. Ich begann mutlos zu werden.
Großmutter bedrängte mich nicht. Wenn ich aus Idas Zimmer kam, stand sie wartend unten am Fuß der Treppe und sah mir entgegen, und wenn ich
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