AnidA - Trilogie (komplett)
spürte ihre Sorge. In der umkämpften Hauptstadt des Hortes lebte die Frau, die sich nun die Khanÿ nannte und die Ida einst als Freundin bezeichnet hatte. Wie mochte eine Verbrecherorganisation den Einmarsch der Soldaten der Hierarchie überstanden haben? Unter diesen Gedanken lagerte verschwommen und verdeckt noch ein anderer: die Trauer um den dicken Wirt Marten, der in der Zitadelle ein so grausames Ende gefunden hatte.
Tallis bemerkte meine Geistesabwesenheit und nahm teilnahmsvoll meine Hand. »Erzähle«, sagte sie leise. »Was ist euch widerfahren?« Die anderen rückten schweigend näher zusammen und lauschten gebannt. Ida saß schweigend an meiner Seite, und ich spürte das Echo meiner Worte in ihren Gedanken. Ich berichtete so knapp wie möglich von dem, was wir in der Zitadelle erlebt hatten. Die Einzelheiten würden später noch genügend Zeit der Beachtung finden.
Als ich zu der Begegnung mit der Schwarzen Magierin kam und stockend erzählte, wer sie gewesen war, unterbrach mich der leise Aufschrei meiner Tante. Sie blickte Tallis an, die wie erstarrt an meiner Seite saß und fest meine Hand umklammerte. »Das ist nicht wahr«, sagte Ylenia voller Schmerz. »Eddy, bitte, sag, dass das nicht die Wahrheit ist. Die Magierin hat dich getäuscht, sie hat dir ein Trugbild gezeigt, von dem sie wusste, dass du ihm vertrauen würdest!«
Bedauernd und beschämt schüttelte ich den Kopf. Ich hatte über Ter'nyoss in engstem Rapport mit dem Geist meiner Großmutter gestanden und wusste nur zu gut, dass sie es gewesen war; leibhaftig in Fleisch und Blut. Das Herz des Todes hatte in den Jahren, da sie es mit sich getragen hatte, vollständig Besitz von ihrem Geist ergriffen, aber dennoch war es Elaina gewesen, die mich in der Zitadelle dazu verführt hatte, meine eigene Schwester zu quälen und beinahe zu töten.
Mit niedergeschlagenen Augen berichtete ich von diesem beschämendsten Teil meiner Erlebnisse. Ich erzählte von dem mächtigen schwarzen Rausch, den Ter'nyoss mir bereitet hatte, und der düsteren Verlockung durch das Schwarze Herz, der ich nicht hatte widerstehen wollen und können. Tallis standen Tränen in den Augen, als ich endete. Ylenia hatte das Gesicht in die Hände gelegt und regte sich nicht.
»Was ist mit Ida? Warum ist sie derart apathisch?«, fragte sie nach einer Weile dumpf. Ich blickte zu meinem anderen Ich, das stumm und teilnahmslos an meiner Schulter lehnte. Ich tastete mit geistigen Fühlern nach ihr und erhielt einen sanften Druck ihrer Finger als Antwort.
»Sie ist erschöpft. Ohne sie wäre ich verloren gewesen. Sie musste durch meine Schuld ungeheuer leiden, aber am Ende hat sie Stärke für uns beide bewiesen.« Die Erklärung war zu einfach, aber ich fühlte mich ähnlich müde wie Ida. Was dort mit uns geschehen war, brauchte noch Zeit der Heilung und der Verarbeitung. Und unsere Trennung, die langsam und unaufhaltsam weiter voranschritt, kostete ebenfalls große Kraft.
Ylenia ließ die Hände sinken und wandte mir ihr müdes, trauriges Gesicht zu. »Wir müssen über all das nachdenken«, sagte sie sanft. »Die Rolle, die meine Mutter dabei gespielt hat ...«, sie stockte. Tallis schloss schmerzlich die Augen.
»Das Herz des Todes«, sagte Mellis unvermittelt. Sie und Dix hatten teilnahmsvoll schweigend zugehört und sich dabei an den Händen gehalten. Die anderen sahen auf und blickten erst die beiden und dann Ida und mich an. Ich hob die Schultern.
»Jinqx hat Ter'nyoss mit sich genommen«, sagte ich hilflos. »Sie ist ihre rechtmäßige Hüterin. Mehr weiß ich auch nicht.«
Ylenia krampfte die Hände ineinander. »Das Herz des Todes ist nicht vernichtet worden?«, fragte sie matt. Ich schüttelte entsetzt den Kopf.
»Bei den Sternen, nein! Du kannst die Dunkelheit nicht vernichten, ohne auch das Licht zu löschen! Ter'nyoss muss bestehen, wenn Ter'terkrin leben soll!« Es überraschte mich, die Weiße Hexe eine solche Frage stellen zu hören. Wie konnte sie ernstlich darüber nachdenken, das große Gleichgewicht, die Harmonie der Welt zu zerstören?
Sie hat Angst, sagte Ida in meinem Geist. Sie klang traurig und gleichzeitig amüsiert.
Ylenia senkte den Kopf. »Ausgerechnet die Sturmkrähe, die Unheilbringerin. Was kann daraus entstehen, außer neuem Unglück?«
Wir schwiegen und hingen unseren Gedanken nach. Ich hatte meinen Arm um Ida gelegt, ihr Kopf ruhte an meiner Schulter. Ihre Hand griff in meine Tasche und berührte das leise pulsierende Herz der Welt.
Weitere Kostenlose Bücher