AnidA - Trilogie (komplett)
mit beiden Händen durch ihre strubbeligen Haare. Ihre Augen musterten sehr ernst das Gesicht ihrer Schwester. »Du hast es dir doch anders überlegt?«
Ida senkte den Blick. Dann zuckte sie fatalistisch mit den Schultern und lächelte. »Ich habe über alles nachgedacht«, sagte sie heiter. »Es ist ziemlich dumm, einfach wegzulaufen, meinst du nicht? Vater wird nicht ewig leben, und es gibt keinen Nachfolger für ihn. Ich kann mich nicht davor drücken, Eddy. Ich weiß schließlich, dass ich die Lady von Sendra sein werde. Und außerdem ...«, sie zögerte und zupfte an der Bettdecke. Dann hob sie die Augen und sah Eddy beinahe wütend an. »Ich glaube, ich habe diesen dicken Ritter ziemlich gerne«, sagte sie trotzig. »Ich bin bereit, es einige Zeit mit ihm zu versuchen. Wenn er mir auf die Nerven geht, kann ich ihn schließlich immer noch rauswerfen.«
Eddy lachte auf und nahm sie spontan in die Arme. »Tu das«, sagte sie herzlich. »Und grüße ihn von mir. Ich glaube, er ist ganz in Ordnung – auch wenn er nicht so sehr mein Typ ist.«
Ida lächelte erleichtert. »Du hältst mich nicht für verrückt?«
Eddy schüttelte erheitert den Kopf. »Du wirst es schon richtig machen«, spornte sie ihre Schwester mit leisem Spott an. »Außerdem, was soll dir schon passieren? Du weißt doch, was geschehen wird.«
Ida seufzte spielerisch und stand auf. »Na, ich werde es zumindest versuchen. Sagst du bitte Tante Ylen Bescheid? Sie muss mich bei den Grennach entschuldigen. Richte ihr aus, dass ich auf jeden Fall zurückkehren werde, um meine Ausbildung zu beenden.« Sie beugte sich vor und drückte Eddy einen Kuss auf den Mund. Dann öffnete sie leise die Tür und ging, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
~ 20 ~
An einem schönen, warmen Tag im Herbst ritt ich endlich einmal wieder nach Sendra. Ich freute mich darauf, meine Schwester wieder zu sehen. Wir hatten uns in der letzten Zeit immer nur zu offiziellen Gelegenheiten am Hofe des Hierarchen getroffen, bei denen wir kaum ein privates Wort miteinander hatten wechseln können. Ich ließ meine Stute laufen und blinzelte müde in den hellen Sonnenschein.
Ich hatte mich entschieden, schon etwas früher anzureisen, um mit Ida noch in aller Ruhe ein paar Tage verbringen zu können, ehe die Meute in Sendra einfiel. Diese Familientreffen zum Erntefest waren Idas Idee gewesen. »So habe ich wenigstens einmal im Jahr die Gelegenheit, alle meine Lieben auf einem Fleck beisammen zu haben«, hatte sie gelacht. »Ich bin häufiger in der Residenz als in Sendra, und Simon weigert sich standhaft, sein Gasthaus länger als eine Woche sich selbst zu überlassen. Wenn ich nicht nach Nortenne reise, bekomme ich meinen dicken Ritter nicht allzu oft zu sehen.«
Dieses Jahr würde zum ersten Mal Dorkas nicht bei uns sein. Die alte Gildenmeisterin hatte sich mit den Worten entschuldigen lassen: »Ich werde zu alt für längere Ritte. Meine Knochen wollen langsam nicht mehr so wie ich!«
Das Haus lag still in der nachmittäglichen Sonne, und auf dem Hof regte sich nichts außer der unvermeidlichen Schar von Hühnern, die gackernd auseinander stoben, als ich zwischen ihnen hindurchritt. Ich brachte mein Pferd zum Stall und scheuchte einen verschlafen aussehenden Stallburschen aus seiner Ecke, wo er faul auf einem Strohballen gelegen hatte. Ich trug ihm auf, sich um Pferd und Gepäck zu kümmern, und ging dann zum Haus. Merle, die alte Köchin, kam aus der Küche und begrüßte mich herzlich. »Die Herrin ist im alten Obstgarten«, erklärte sie. »Wir haben heute noch nicht mit Eurer Ankunft gerechnet. Aber ich lasse sofort Euer Zimmer herrichten.«
Ich dankte ihr und ging durch die Gartentür. Zwischen den Johannisbeersträuchern sah ich die vertraute Gestalt meiner Schwester. Sie stand reglos da und schien tief in Gedanken versunken. Ich näherte mich ihr leise und betrachtete sie dabei voller Rührung.
Ida bemerkte mich nicht. Sie stand da, einen beinahe voll gepflückten Korb mit Äpfeln zu ihren Füßen, den Kopf mit ihrem üppigen Zopf hoch erhoben. Ich bemerkte die silbernen Strähnen, die ihr Haar durchzogen, und musste einige aufsteigende Tränen wegblinzeln. Ich rief leise ihren Namen. Sie schrak aus ihren Gedanken und wandte mir erstaunt das Gesicht zu. Es leuchtete auf, als sie mich erkannte, und sie breitete die Arme aus.
»Eddy, wie freue ich mich!« Sie zog mich an ihren Busen und küsste mich herzlich. »Wie geht es dir? War die Reise anstrengend? Du siehst müde
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