AnidA - Trilogie (komplett)
glomm der Ring unserer Großmutter grünlich auf. Ein leises Singen lag in der Luft. Der Ring erstrahlte hell wie ein winziger Stern und begann zu flimmern. Dann war die Erscheinung vorbei, so plötzlich, wie sie gekommen war. Ida griff nach den beiden Ringen, die nun neben ihrer Hand lagen, und streckte sie mir mit zitternden Fingern entgegen. Ich nahm den einen von ihrer Handfläche und steckte ihn mir an.
Meine Sicht verschwamm und wurde trübe. Wie schon einmal in dieser Nacht schien alles um mich an Substanz und Wirklichkeit zu verlieren. Die Konturen meiner Umgebung lösten sich auf und verfestigten sich wieder zu bedrohlicher Schärfe. Alles Licht schien aus der Welt geschwunden zu sein. Silhouetten von tödlicher Schwärze umgaben mich, die von schmerzhaft grellen Kanten aus kaltem Violett gesäumt wurden. Auch Idas tröstliche Gestalt hatte sich in ein solches schrecklich anzusehendes Gespenst verwandelt. Ich schloss die Augen und versuchte meine Hexensicht, aber auch hier erblickte ich nur die albtraumhaften Lichtsäume um bedrohliche, finstere Schattengebilde.
»Jinqx ruft mich, ich muss fort. Ida, meine Schwester, mein Herz, lebe wohl.«
»Warte!«, rief die Stimme meiner Schwester aus den düsteren Schatten. Sie klang verzerrt und schrill. »Eddy, warte doch!«
Ich tastete mich durch die Welt der Schatten zur Tür und öffnete sie. »Leb wohl«, wiederholte ich, um Beherrschung ringend. »Lass mich jetzt gehen, ich bitte dich. Ich muss hinaus, ich kann hier zwischen den Mauern meinen Weg nicht finden. Wenn es in meinen Kräften steht, werde ich zurückkehren, Ida. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich«, waren die letzten, hoffnungslos geflüsterten Worte, die ich von Ida in diesem Leben hörte. Ich schloss die Tür hinter mir und folgte dem Ruf des Schwarzen Herzens in den Garten. Über mir strahlten die Sterne eines fremden Universums, und das Krächzen einer Krähe wies mir den Anfang des langen Weges. Chloes Füße kratzten über meinen Hals, als sie auf meine Schulter kletterte und in die verwirrend duftende Nachtluft schnupperte. Ich rieb meine Wange an ihrem weichen Rücken und tat mit einem tiefen Atemzug den ersten, alles entscheidenden Schritt.
Simon erwachte im frühen Morgenlicht und reckte sich gähnend. Er tastete zärtlich nach seiner Frau und fand nur ein kühles, leeres Laken neben sich. Irritiert setzte er sich auf und erblickte Ida, die reglos im Lehnstuhl am Fenster saß und in den Garten sah. Er rief sie leise an, aber sie schien ihn nicht zu hören, so tief war sie in ihre Gedanken versunken. Ihre Augen waren gerötet, fast, als habe sie geweint. Simon ging zu ihr und berührte sanft ihre Wange. Ihre Lider zuckten, und sie wandte langsam den Kopf, um ihn anzusehen.
»Was hast du, mein Herz?«, fragte er. Ida seufzte leise und wischte sich fahrig über die Augen. Es klopfte stürmisch. Ehe einer von beiden darauf reagieren konnte, wurde die Tür aufgerissen, und die aufgelöst wirkende Köchin stürmte herein. »Entschuldigt, Herrin, Herr«, stammelte sie und rang die Hände. »Etwas Schreckliches ist geschehen. Bitte, Herrin, kommt mit mir in den Garten. Ich habe schon die junge Herrin geweckt, aber sie sagt, es sei nichts mehr zu machen. Eure Schwester ... es sieht so aus, als sei sie in der Nacht gestorben. Sie liegt im Garten. Ich fand sie, als ich Kräuter für das Frühstück schneiden wollte. Es ist so schrecklich ...« Sie begann zu weinen.
Idas Reaktion auf die wirren Worte der alten Merle erschreckte Simon beinahe noch mehr als die Nachricht selbst. Sie sah wieder aus dem Fenster und erwiderte gleichgültig: »Hast du sie ins Haus bringen lassen?«
Merle starrte sie mit offenem Mund an. »Nein, Herrin«, erwiderte sie verblüfft. »Ich dachte mir ... Ich glaubte, Ihr wolltet sie sehen, wie sie dort ...«
»Das ist nicht nötig«, unterbrach Ida sie. »Lass sie erst einmal ins Haus bringen. Zwei Knechte sollen sich um das Grab kümmern, am besten im Alten Garten, und sie dort ...«
»Ida!«, schrie Simon auf. »Um der Schöpfer willen, was ist mit dir? Deine Schwester ist tot! Fühlst du denn gar nichts?«
»Nein«, sagte Ida erstaunt. »Nein, Simon, warum sollte ich? Eddy ist nur für eine Weile fortgegangen, aber sie hat mir versprochen, dass sie zurückkehren wird.«
»Ida«, murmelte Simon erschüttert und wandte sich voller Grauen von ihrem Furcht erregend gelassenen Gesicht ab. Er nahm Merle bei den Schultern, die voller Schrecken den irrsinnig klingenden
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