AnidA - Trilogie (komplett)
regelrecht in Rage geredet und pausierte nun ein wenig verlegen, griff nach seinem Becher, fand ihn leer und stellte ihn mit einem Ruck wieder ab. Herrad lächelte milde und füllte seinen Becher aus dem irdenen Krug, der zwischen ihnen auf dem Tisch stand, wieder auf.
»Das sind, vergebt mir, altbekannte Tatsachen, Hochmeister«, sagte sie, während er erneut nach dem Becher griff. »Kein Grund, meine ich, auf ein geheimes Treffen mit mir zu drängen.«
Rafiel rang sich ein Zwinkern ab. »Ach, geheim, geheim! – Ihr wisst doch, dass ich diesen verdammten grauen Bastarden nicht über den Weg traue!« Herrads Augenbrauen schossen in die Höhe, und er hob entschuldigend die Hand. »Alte Freundin, ich weiß, dass Ihr insgeheim meine Meinung teilt«, fügte er etwas weniger heftig hinzu.
Herrad äußerte sich nicht dazu, sondern wartete geduldig darauf, dass er endlich zum entscheidenden Punkt käme.
Der Hochmeister wischte einen Spritzer Wein von seiner nachtblauen Reithose und trocknete seine Finger dann gedankenlos an dem weißen Umhang, den er beim Eintreten über die Sessellehne geworfen hatte. »Ihr könnt Euch vorstellen, dass die Pattsituation im Rat mich geradezu rasend macht«, fuhr er endlich fort. »Seit dieser hinterhältige Erzmagus es geschafft hat, dem Hierarchen seinen Günstling als Hofmagier unterzuschieben ...«
»Bitte, Rafiel«, unterbrach Herrad ihn ungeduldig. »Es nützt doch nichts, über feststehende Tatsachen zu lamentieren. Erzmagus Rumold ist ein alter Starrkopf, und Magister Fulke interessiert sich zurzeit noch hauptsächlich dafür, seine frische Stellung bei Hofe zu festigen. Aber Ihr müsst zugeben, dass auch der Weiße Orden die Gelegenheiten immer gut genutzt hat, in denen er das Ohr des Hierarchen hatte.«
Rafiel schmunzelte und entspannte sich ein wenig. »Gut, da mögt Ihr Recht haben«, stimmte er versöhnlich zu. »Aber dennoch, liebe Freundin – die Zeiten sind bedenklich, und die Gefährdung, die für uns alle von diesen unkontrollierten und offensichtlich auch unkontrollierbaren Gewalten ausgeht, die diese magischen Kleinodien beinhalten ...« Er beendete seinen Satz nicht, sondern sah Herrad mit emporgezogenen Brauen fragend an.
»Sicher«, erwiderte sie ungeduldig. »Auch das ist nichts Neues. Der Erzmagus besteht seit dem letzten Winter verstärkt darauf, die Herzen in seine Obhut zu nehmen, damit der Graue Orden seine Kräfte an ihnen messen kann. Jetzt, da Magister Fulke sich für die Interessen des Ordens an höchster Stelle einsetzen kann ...«
»... und wird!«, warf Rafiel grimmig ein.
»... und das auch sicherlich tun wird«, bestätigte Herrad, »werden wir es umso schwerer haben, das zu verhindern.«
Sie seufzte. »Ich werde Erzmagus Rumold heute wohl oder übel den Kompromiss anbieten müssen, einige seiner Ordensbrüder hier bei uns mit den Herzen arbeiten zu lassen.«
Hochmeister Rafiel fuhr auf. Sein kurz geschorenes, silbrig blondes Haar schien sich zu sträuben. »Herrad, beste Freundin!«, sagte er beschwörend. »Das halte ich für äußerst unklug! Wir wissen nicht genug darüber, was alles geschehen kann, wenn man allzu leichtsinnig mit diesen Mächten umspringt!«
Die Oberste Hexe seufzte und erhob sich, um ans Fenster zu treten. »Aber wir haben nicht die geringsten Fortschritte zu verzeichnen, Rafiel. Schon seit Jahren sind wir der Lösung des Rätsels keinen Schritt näher gekommen. Aber die Herzen sind da, sie sind eine Gefahr, und sie wecken in mancher magiebegabten und nicht allzu gefestigten Seele das starke Verlangen, sich ihre Macht zunutze zu machen. Warum, glaubt Ihr, hielten wir sie sonst so gut bewacht unter Verschluss?«
Rafiel nickte und brummte zustimmend. Herrad fröstelte trotz der warmen Luft, die durch das geöffnete Fenster drang, und hüllte sich enger in ihr Schultertuch.
»Aber diese Bedrohung erscheint mir gering, wenn ich sehe, was die reine Existenz dieser magischen Kleinodien bedeutet. Sie gefährden auf nach wie vor ungeklärte Art die Basis aller Magie in ihrem Umkreis – und ich befürchte, dass es damit noch lange nicht sein Bewenden hat.«
Herrad wandte sich entschlossen um. »Genug gejammert, mein Freund«, sagte sie energisch. »Warum wolltet Ihr mich sprechen? Bis hierher hätten wir uns unseren Atem sparen können.«
Rafiel nickte müde und rieb sich mit seiner großen, narbigen Hand über das wettergegerbte Gesicht. »Ich wollte mit Euch darüber reden, ob wir eine Umstrukturierung des Magischen
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