AnidA - Trilogie (komplett)
froh darüber wäre, dass wir auf diese Weise so gutes Geld verdienen, hätte ich längst damit aufgehört.«
Korben legte besänftigend den Arm um Mikas Schultern. »He, komm. Du zerbrichst dir den Kopf über die falschen Dinge. Denk lieber darüber nach, wie wir unser Angebot vergrößern können. Alles andere überlass ruhig mir.«
Mika nickte, aber mit verkniffenem Zweifel in der Miene. Korben gab ihm einen Knuff und wandte sich zur Tür. »Wir sehen uns morgen oder übermorgen. Mach mir ein paar Tütchen Goldrübe zurecht – Jemmy ist wieder für einige Tage an Land.«
Die Tür klappte zu, und Mika blickte noch eine Weile mit schief gelegtem Kopf auf das altersdunkle Holz, ehe er seufzte und das Licht im Laden löschte.
Meister Wilber stand am Fenster der Krankenstube und hörte unaufmerksam einer jungen Hexe zu, die neben ihm stand. So weit er ihren verwickelten Ausführungen folgen konnte, hatte sie sich bei einem Konservierungszauber ablenken lassen und sich dadurch einige äußerst unangenehme Prellungen zugezogen. Zu dem Schmerz hatte sie dann auch noch den Spott ihrer Kolleginnen erdulden müssen, und der Heiler war sich nicht ganz sicher, was sie nun von ihm erwartete: Sollte er ihr lediglich eine lindernde Salbe für die blauen Flecken geben oder gleich auch ihre Kolleginnen zurechtweisen? Seine Gedanken schweiften ab und verloren sich bei dem Thema, um das sie schon seit Tagen in jeder freien Minute kreisten.
Sein Unbehagen darüber, wie die Oberste Hexe das Problem mit den beiden Herzen und ihrer Hüterin handhabte, hatte sich seit der letzten, so schwierig verlaufenen Sitzung nur noch vertieft. Er war höchst erstaunt darüber gewesen, mit welcher Mühelosigkeit sich Anna der beiden magischen Kleinodien hatte bemächtigen können, und ihre flehende Bitte, sie ihr zu lassen, hatte ihn zutiefst erschüttert. Bisher hatte er dem Vorgehen seiner Obersten zugestimmt, weil er ebenso wie sie geglaubt hatte, dass Annas Bindung an die Herzen ihr großen Schaden zufügte. Aber dass die endgültige Trennung ihnen einfach nicht gelingen wollte und es Anna immer schlechter statt besser ging – was offensichtlich war –, brachte ihn seit geraumer Zeit ins Grübeln und seine bisherige Meinung stark ins Wanken.
Er seufzte und unterbrach den Wortschwall der darob überaus erstaunten jungen Hexe, indem er ihr einen kleinen Tiegel mit Salbe in die Finger drückte und ihr empfahl, die schmerzenden Stellen gut damit einzureiben. Mit offenem Mund stand sie da und sah ihm nach, wie er sie stehen ließ und aus der Krankenstube eilte.
Als Anna erwachte, fühlte sie sich zerschlagen und verwirrt wie nach einem schweren Fieberanfall. Vage dämmerte ihr, dass sie weit länger als nur eine einzige Nacht hier in ihrem schmalen Bett gelegen und mit ihren Träumen gerungen hatte. Bilder drängten aus ihrer Erinnerung auf sie ein, ehe sie sich im Licht des Tages auflösten – schwarz und silbern funkelnde Edelsteine, die in ihren Handflächen schimmerten und deren Gewicht sie immer noch zu spüren vermeinte, wieder und wieder das lichtlos schwarze Auge einer großen Krähe und ihr bedrohlich geöffneter Schnabel, die sanfte Berührung von Händen, die ihrer Großmutter gehörten, und Stimmen, die sie nicht kannte, die aber lockend und süß nach ihr riefen und eine Sehnsucht in ihr weckten, die schmerzhaft und quälend war.
Anna schüttelte die letzten Fetzen der Traumbilder ab und zog sich mit matten Bewegungen an. Die trotz des geöffneten Fensters dumpfe Luft in ihrer kleinen Kammer trug nicht gerade dazu bei, ihren benebelten Kopf zu klären; deshalb wollte sie sich ein wenig in den Kräutergarten setzen und die Traumkälte in ihren Gliedern von der Sonne vertreiben lassen.
Als sie ihre Kammer verließ, stieß sie beinahe mit dem Heiler zusammen, der eiligen Schrittes um die Ecke bog. »Ah, du bist auf«, sagte er ein wenig kurzatmig und griff nach ihrem Arm, weil sie erschreckt zurückgefahren und dadurch ins Wanken gekommen war. »Das ist gut, denn ich wollte mit dir reden.« Sein prüfender Blick traf ihr blasses Gesicht. »Du isst jetzt ein wenig Suppe, und dann suchen wir uns einen ruhigen Platz, an dem uns niemand stört.«
Anna folgte ihm willig in die Küche; seine Bestimmtheit und Tatkraft hatten sie ein wenig aus ihrer Mattigkeit geweckt. Meister Wilber ließ sich von der Ersten Köchin persönlich einen großen Napf mit köstlich duftender, dicker Gemüsesuppe schöpfen und einen Kanten Brot dazu geben
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