AnidA - Trilogie (komplett)
seinem Rücken Zeichen. Der krummbeinige kleine Kerl zischte mit Raketenantrieb an uns vorbei und hinein in den Bahnhof. Der fette Frachtarbeiter riss die Augen auf und zog so hastig seine Pfoten aus meinem Pullover, als hätte Chloe ihn gebissen.
»He, stehen geblieben, du Ratte«, brüllte er und wuchtete seine Massen hinter Dix her. Ich stopfte lässig meine Hände in die Hosentaschen und marschierte gemütlich durch das Tor hinein. Der Fettwanst hatte keine Chance, Dix zu erwischen – schon allein, weil er in keines der Löcher, in die Dix sich auf seiner Flucht zwängen würde, auch nur mit dem Arm hineinpasste.
Auf der Frachtrampe herrschte wenig Betrieb, und ich machte, dass ich in den öffentlichen Teil des Bahnhofs kam. Einige Minuten lang schlenderte ich durch das Gewühl, besah mir die ankommenden und abfliegenden Passagiere und hielt alle meine Antennen draußen, für den Fall, dass eine Patrouille der Roten mir zu nahe kommen sollte.
Endlich lehnte ich mich an einer Erfolg versprechenden Ecke zwischen Cyberimbiss und Zeitungskiosk an die Wand und begann mir mein Opfer auszusuchen. Ich hatte mich gerade für einen geschniegelten jungen Mann mit dem wichtigtuerischen Aussehen und dem gedeckten violetten Anzug eines unbedeutenden Kleriker-Bürokraten entschieden, der am Imbiss erst nach längerem, umständlichem Wühlen seine Brieftasche gefunden hatte, als jemand mir auf die Schulter tippte. Ich wandte mich langsam und fluchtbereit auf die Seite und blickte in Dix' feuchte Hundeaugen.
»Idiot«, zischte ich entnervt. »Ich dachte schon, es wären die Roten.«
»Die klopfen nicht erst an«, erwiderte der kleine Kerl nüchtern und durchaus logisch. Ich musste grinsen. Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Burschen zu, der gerade mit spitzen Zähnen von seinem Sojaburger abbiss, und deutete mit dem Kinn auf ihn. Dix sah ihn sich fachmännisch an und nickte dann. »Wo?«, fragte er.
»Ich dachte an die unübersichtliche Ecke hinter dem Kiosk. Du oder ich?«
»Du«, sagte er bestimmt. »Ich bin heute schon genug gerannt.« Ich nickte und stieß mich von der Wand ab, um meinen neuen Posten zu beziehen. Ohne mich umzublicken, wusste ich, dass Dix mir mit einigen Schritten Abstand folgte. Er stellte sich dicht neben dem Burschen in dem violetten Anzug auf und tat so, als würde er bei dem Mechnokellner ein SynAle bestellen. Dabei behielt er unser Opfer unauffällig im Auge. Der Mann hatte inzwischen seinen Imbiss beendet, wischte sich geziert mit einem Taschentuch den Mund und die fettigen Finger ab und nahm die Tasche auf, die er zwischen seine Beine geklemmt hatte. Er warf den Teller weg, samt den Resten, die er nicht gegessen hatte – das Zeug schmeckt wie Pappe, egal, wie viel Mühe die sich damit auch geben – und kam um die Ecke gestiefelt, genau auf mich zu. Ich lehnte mich etwas vor, und als er auf meiner Höhe war, rempelte Dix ihn an und brachte ihn zum Straucheln. Er prallte gegen mich. Ich umklammerte ihn und brachte ihn dadurch nur noch mehr aus dem Gleichgewicht. Wir gingen beide zu Boden, und Dix bremste ab und kam zurück, um uns aufzuhelfen. Er entschuldigte sich wortreich, klopfte den Burschen ab, hob seine Tasche auf, machte einen Riesenwirbel, und in der Zeit konnte ich in aller Gemütsruhe die Taschen seines Anzugs ausräumen. Während Dix noch an dem Dummkopf herumfummelte, machte ich mich gemächlichen Schrittes aus dem Staub.
Anscheinend hatte uns niemand beobachtet. Ich schlenderte weiter und behielt meine Umgebung im Auge. Hinter mir erklangen weder Rufe noch schnelle Schritte, also schienen wir wahrhaftig Glück gehabt zu haben. Ich stopfte meine Beute in die Innentasche meiner Lederjacke und zog den Verschluss zu. Schließlich war man hier am Bahnhof nie wirklich sicher vor Taschendieben.
Dix stieß am Transittunnel zu mir und grinste mich atemlos an. »Hat es sich gelohnt?« Sein mageres, hässliches Gesicht leuchtete vor Freude über unseren Erfolg.
Ich grinste zurück und hob die Schultern. »Keine Ahnung, Kleiner. Aber es würde mich wundern, wenn nicht für uns beide ein Schlafplatz im Tri dabei herausspringen würde.«
Er schnitt eine wortlose Grimasse. »Dann los, lass uns zu Kerns Höhle gehen. Da können wir teilen.«
Ich nickte zustimmend. Kerns Höhle war ein Umschlagplatz für alles, was sich versilbern ließ. Dort würden wir höchstwahrscheinlich sogar Interessenten für den Creditchip finden, der mit Sicherheit in der Brieftasche des Tölpels
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