AnidA - Trilogie (komplett)
starrten uns an.
»Prüf die andere Rolle«, befahl sie schließlich. Ich tat, was sie sagte, aber bei diesem Exemplar hatten wir weniger Glück. Ohne das richtige Decodierprogramm würde es uns freiwillig nichts von seinem Inhalt verraten. Ich nahm beide Datenrollen und hielt sie einen Moment lang in der Hand.
»Was für eine Säuberung?«, fragte ich hilflos. »Überlebende Subjekte«, die in eine Strafkolonie gebracht werden sollten, das klang jedenfalls nicht nach einer friedlichen Stadtteilsanierung. Eher nach einer groß angelegten Schädlingsbeseitigung. Menschliche Schädlinge. NonHabs?
»Die Clouds«, folgerte Tallis finster. Ihre Gedanken waren anscheinend in eine ganz ähnliche Richtung gegangen.
»Was tun wir?« Einen Moment lang hatte ich die Vision von Truppen der Galaktischen Sicherheit, die unaufhaltsam die Clouds überrollten und dann wie ein Flohkamm die restliche Stadt durchkämmten, damit ihnen ja kein Ungeziefer entging. Ich schüttelte mich.
»Heute gar nichts mehr. Wir gehen schlafen.« Ich wollte protestieren, aber sie ließ mich nicht zu Wort kommen. »Heute können wir ohnehin nichts mehr ausrichten, Eddy. Wir werden morgen mit klarem, ausgeruhtem Kopf über alles nachdenken. Du wirst mir genau erzählen, wie du an diese Nachricht gekommen bist und wer alles hinter dir her ist. Morgen!«
Ich fügte mich ihrem entschiedenen Ton und ließ mich von ihr sogar zu Bett bringen. Das hatte seit dem Tod meiner Großmutter keiner mehr für mich getan. Sie stopfte die Decke um mich herum und gab mir einen Kuss. Erst jetzt merkte ich, wie erschöpft ich war.
»Schlaf gut, Eddy. Morgen wird uns etwas einfallen, das verspreche ich dir.« Ich glaubte ihr. Meine Augen fielen zu, und ich war schon eingeschlafen, während sie noch auf dem Weg zur Tür war.
Ich wurde von verlockendem Kaffeeduft geweckt, der durch das Haus zog und dabei eine längere Rast in meiner Nase einlegte. Blinzelnd und gähnend reckte ich mich und versuchte, den entschwindenden Rest eines Traumes zu erhaschen, der mich in der Nacht besucht hatte. Ich erinnerte mich, das Gesicht meiner Großmutter vor mir gesehen zu haben. Neben ihr stand ich selbst, allerdings einige Jahre jünger, als ich heute war. Seltsamerweise trug ich einen langen geflochtenen Zopf – so ziemlich das Einzige, was ich noch nie in meinem Leben mit meinen grässlichen Haaren angestellt hatte, und ich hatte weiß der Himmel schon genug Verrücktes mit ihnen ausprobiert. Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf und bemühte mich, noch mehr Einzelheiten dieses Traumes aus meinen trägen Hirnwindungen zu kratzen.
Die beiden Gesichter, meins und das meiner Großmutter, sahen mich reglos wie durch eine schlierige Flüssigkeit hindurch an. Großmutter sah eigenartig fremd aus und jünger, als ich sie in Erinnerung hatte. Aber sie war es, auch wenn sie ein seltsam altertümliches weißes Gewand zu tragen schien. Während ich die beiden Frauen betrachtete, begannen sie sich zu verwandeln. Großmutters Gesicht wurde glatter und jünger, und mein Gesicht begann genauso schnell zu altern. Bald standen wir wie Zwillingsschwestern nebeneinander und hielten uns an den Händen, an denen schmale Silberringe schimmerten. An dieser Stelle war ich wohl erwacht. Eigentlich schade, es hätte mich interessiert, wie der Traum weiterging.
»Das Frühstück ist fertig«, erklang Tallis' Stimme von unten. Ich schwang die Beine aus dem Bett und beeilte mich, in meine Kleider zu kommen. Tallis schenkte mir Kaffee ein und schob mir den Brotkorb hin. Ich nahm ein knuspriges Brötchen und schnitt es auf.
»Wie hast du geschlafen?«, fragte Tallis. Ich erzählte ihr von meinem Traum. Sie starrte eine Weile lang durch mich hindurch in die Ferne. »Das ist erstaunlich«, sagte sie schließlich zu sich selbst. Sie erläuterte ihre Worte nicht, und ich fragte nicht nach. Irgendwann würde sie mir schon erklären, was sie damit gemeint hatte.
Tallis ließ mich erzählen, wie ich an die Datenrollen gekommen war. Ihre Augen ließen mich währenddessen nicht los, und als ich meine Geschichte beendete, war ich vor Anspannung schweißgebadet. Tallis äußerte kein Wort der Missbilligung, aber trotzdem fühlte ich mich, als hätte sie mir eine ordentliche Standpauke gehalten. Ihre schmalen Finger tasteten nachdenklich über die silberne Brosche, die sie am Kragen ihrer Bluse trug. Sie folgte den verschlungenen Linien mit den Fingern und schien dabei ihre Gedanken zu ordnen. Zum ersten Mal
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