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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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war, stand völlig ohne Galacx da und damit ohne jede Möglichkeit, sich etwas Vergnügen oder auch Lebensnotwendiges zu kaufen. Noch dazu waren meine Aussichten, jemals eine Arbeitsgenehmigung zu bekommen, mehr als fragwürdig. Ich hatte schon fünf Ermahnungen und zweimal eine Woche Dunkelarrest hinter mir, was meine Probe- und Haftzeit automatisch um ein halbes Jahr verlängert hatte.
    »Sie haben uns eine Pause genehmigt«, berichtete Stell. »Der Zentralcomputer ist mal wieder abgestürzt, schon das vierte Mal in diesem Monat.« Sie rieb ihre kalte Nase an meinem Hals und ließ mich dann los, um ein zerdrücktes Päckchen Zigs aus ihrer Hosentasche zu fingern. Sie steckte sich eins der Röllchen zwischen die Lippen und sog daran, bis es sich entzündete. Dann drückte sie es mir in die Finger und schob ihre Hände wieder unter meinen Pullover. Ich atmete dankbar den scharfen, ein wenig betäubenden Rauch ein und steckte ihr die Zig wieder zwischen die Lippen. Früher hatte ich nicht geraucht, aber hier war man dankbar für alles, was einen vom Hunger und von der Langeweile ablenkte, selbst wenn es ein stinkendes, qualmendes Röllchen Gift war.
    Wir standen eine Weile lang aneinander gelehnt da und rauchten. Dann zog sie meinen Kopf zu sich und küsste mich. Ich erwiderte ihren Kuss erstaunt. Normalerweise war Stell in der Öffentlichkeit sehr zurückhaltend mit solchen Zärtlichkeiten.
    »Heute Abend nach dem Zählappell in Baracke Dreizehn«, flüsterte sie in meinen Kuss hinein. Ich blinzelte verwirrt, war aber inzwischen klug genug, mir nichts anmerken zu lassen. Wir lösten uns voneinander, und sie schlug mir zum Abschied noch einmal fest auf den Hintern, ehe sie wieder zu ihrer Arbeit verschwand. Ich stopfte die Hände in meine Taschen und lehnte mich gegen die Barackenwand. Vielleicht wäre es das Klügste, mich einfach bis zum Abend in meine Decke zu rollen und zu versuchen, den lausigen Tag zu verschlafen. Dann musste ich wenigstens nicht ständig an meinen knurrenden Magen denken.
    In den ersten Monaten hatte ich noch gehofft, dass es Tallis oder Dix irgendwie gelingen würde, mich hier rauszuholen, oder dass sich alles als Irrtum herausstellen und der Geier persönlich erscheinen, sich bei mir entschuldigen und mir mein Flugticket in die Hand drücken würde. Natürlich waren das peinliche, kindische Wunschträume. Niemand würde kommen, um mich zu befreien. Und wie lange es dauern mochte, bis ich meine Zeit hier abgedient hatte, stand in den Sternen. Bei guter Führung wären es zwanzig Jahre, hatte der Lagerkommandant mir nach meiner Ankunft erklärt.
    Ich stand damals zum ersten Mal in seinem Büro, noch halb unter Schock und mit weichen Knien. Er bot mir keinen Platz an. Er saß gemütlich in seinem Kontursessel, spielte mit dem Schockarmband der Roten, das die Wache mir gerade abgenommen hatte, und erklärte mir die Spielregeln. Ich bekam nur die Hälfte mit, aber das reichte mir schon vollkommen aus. Ich starrte ihn an und hätte am liebsten meine Faust mitten in seine gut aussehende Visage geschmettert. Groß, wohl genährt, muskulös und breitschultrig saß er da, die dunklen, leicht gewellten Haare mit dekorativen grauen Strähnen durchzogen, das kantige Gesicht gelangweilt zum Fenster oder zum Monitor seines Terminals gewandt, und leierte die Lagervorschriften herunter. Ein in die Jahre gekommener Athlet mit einem fetten Kugelbauch unter der gut geschnittenen Uniform.
    »Hast du alles verstanden?«, fragte er abschließend und wandte mir seinen Blick wieder zu. »Zwanzig Jahre, wenn du dir nichts zuschulden kommen lässt. Eine einfache Ermahnung hat nur den zeitweiligen Entzug der Privilegien zur Folge, Verweise verlängern je nach Schwere des Vergehens deine Strafe. Du hast zwei Jahre Probezeit vor dir, wie alle. Wenn du dich gut führst, bekommst du danach die Arbeitserlaubnis. Alles andere erklären dir sicher gerne die anderen Internierten. Der Aufseher gibt dir eine Decke, deinen Schlafplatz musst du dir selbst organisieren. Neulinge haben es hier nicht allzu leicht, aber du siehst aus, als könntest du dich durchsetzen.« Ein beleidigender Blick glitt über mich hinweg und wanderte dann wieder aus dem Fenster.
    »Die Internierten haben eine Art von eigener Verwaltung. Die Aufseher kümmern sich nicht um eure Streitigkeiten, außer, es gibt Verletzte. Du kommst in Block vier, zu den Asozialen.« Er drückte auf den Rufknopf. Eine der grau uniformierten Aufseherinnen kam herein und blieb

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