Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
Vom Netzwerk:
reichlich. Eine lange Narbe verlief diagonal von der linken Brustwarze bis zum Nabel. Irgendwann einmal musste man ihm einen ganz schönen Schlitz verpasst haben. Es war besser, die beiden nicht allzu sehr anzustarren. Immerhin trug ich eine Sonnenbrille und konnte sie verstohlen eingehend mustern. Die junge Frau war sehr schön. Eine richtige Versuchung. Schon immer hatte ich etwas für schwangere Frauen übrig. Und diese hier saß mir fast völlig nackt gegenüber. Der Transporter fuhr nicht nach Guanabacao rein, sondern fuhr direkt weiter in den Tunnel der Bucht. Daraufhin schrie der Kerl den Fahrer an:
    »Hey, Mann, wohin fährst du?«
    »Nach Havanna. Durch den Tunnel.«
    »Nee, Kerl, so nicht. Ich will an der Ampel in Guanabacao aussteigen.«
    »Da fahre ich nicht lang.«
    »Halt sofort an. Setz mich hier ab.«
    Die beiden stiegen mitten auf der Straße aus. Die junge Frau hatte Schmerzen. Sie hielt sich den Bauch hoch und taumelte etwas, darauf bedacht, dass der Fötus nicht herauskam. Sie biss sich auf die Lippen und schwitzte und ertrug alles schweigend. Der Kleintransporter fuhr weiter. Ein alter Mann sagte:
    »Der Kerl ist verrückt. Die Frau wird mitten auf der Landstraße niederkommen.«
    Eine Frau erwiderte:
    »Er ist betrunken.«
    »Glauben Sie?«
    »Seine Alkoholfahne kam bis zu mir rüber. Und sie spinnt. Ich an ihrer Stelle hätte zu ihm gesagt: ›Du kannst gerne hier bleiben, ich fahre direkt ins Krankenhaus.‹«
    Eine andere Frau mischte sich ein:
    »Die Schuld hat sie! Wer geht schon so kurz vor der Niederkunft an den Strand?«
    »Weil es Kerle ohne jedes Mitgefühl gibt. Man konnte ja sehen, was für ein Tier der da war.«
    »Ach, die Jugend.«
    »Nichts da, von wegen Jugend. Ich habe vier Kinder, und das erste habe ich mit sechzehn zur Welt gebracht. Und zwar ganz allein, denn zu der Zeit war mein Mann Soldat und nie zu Hause.«
    »Die jungen Leute glauben, alles sei nur Spaß. In dem Alter denkt man nicht nach.«
    Und so ging’s immer weiter mit dem Thema. Ich schaltete ab. Ich hatte einen Rucksack voller Mangos. Eine Familie aus Cotorro hatte sie verkauft. Sie waren mit zwei Säcken Mangos und allen Kindern und den Alten und einigen Flaschen Rum an den Strand gekommen. Es waren ungefähr zehn Personen in einem kleinen, klapprigen Laster. Alle ganz mager, groß und dunkel. Als die Polizei wegfuhr, kam einer von ihnen, der Jüngste, der aber schon Frau und drei Kinder hatte, mit einem Beutel heraus. Die Kinder schrien ihm hinterher: »Papa, nimm mich mit.« Die Frau zerrte alle Kinder an sich wie eine Glucke ihre Küken. Er offerierte den Leuten: »Herrlich reife Mangos, Preis je nach Gewicht.« Ich kaufte ihm welche ab. Dann verkaufte er mir noch ein paar mehr mit Preisnachlass. Schließlich hatte der Schlaksige genug Rum getrunken und trat ganz freundlich an mich heran. Er bot mir Rum an. Wir kippten ein paar Schlucke, er schenkte mir die ihm verbliebenen etwa zwanzig Mangos und erkundigte sich nach meiner Tätowierung. Er wollte sich San Lázaro auf den Rücken tätowieren lassen, aber es gibt keine Garantie. Die Tinte verläuft mit der Zeit, weil sie schlecht ist, und dies und das. Wir unterhielten uns ein Weilchen, und er bot mir sein Haus an. Ich könne kommen, wann ich wolle. Alles in allem anständige Leute. Wir hatten uns ein Weilchen unterhalten, ich saß da mit einer Wagenladung Mangos, und wir hatten eine halbe Flasche Rum geleert.
    Den nächsten Tag widmete ich dem Verzehr von Mangos und dem Aussortieren unnötiger Bücher aus meinen Regalen. Sie wogen zu schwer in meiner kleinen Bibliothek … Lunatscharskis Ansichten über Kultur, Kunst und Literatur, Die Festung von Brest, So wurde der Stahl geschmiedet, Engels über Kunst, Der wahre Mensch von Boris Polewoi, Diskurse, Reden für dieses und gegen jenes, Krise und Veränderungen in der Linken, Die Verratsspirale eines Herrn Soundso, Ästhetik und Revolution, Die verratene Revolution von Trotzki. Damit war ich gerade beschäftigt, als Kurt anrief. Er wollte sich verabschieden. Alles geritzt. Seine Eltern hatten ihm Geld geschickt. Ob wir in einer Stunde zusammen etwas trinken könnten? Er wollte mir für alles danken, was ich für ihn getan hatte. Nein, Kurt, vielen Dank. Ist schon gut, und dir eine gute Reise.
    Ich hatte mehrere ruhige Tage. Gloria sagt, sie liebt mich sehr, ist jedoch wie vom Erdboden verschwunden, und ich kann sie, zum Teufel noch mal, nicht finden. Immer kommen Leute, rufen an, tauchen überraschend auf. Am

Weitere Kostenlose Bücher