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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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wie sich die Stricher zu Dutzenden an sie heranmachten und ihr Heirat, Rum, Zigarren anboten. »Jeden Tag will mich einer heiraten, und ich sage allen: Neee! Beruhigt euch, ich will mich erholen. Nach dreizehn Jahren mit diesem Klotz will ich von Männern nichts mehr wissen. Ich weiß nicht einmal mehr, wie es mit Luis Manuel gewesen ist. Ein Blitz aus heiterem Himmel. Wie ein Gentleman hat er mich erobert; diese vulgären Typen von der Straße hingegen … nicht einmal ausdrücken können sie sich. Man versteht überhaupt nicht, was sie sagen.«
    »Sie sind Schlitzohren, wie es sie überall gibt«, sagte ich, um sie zu ermuntern, mit ihrer Vorstellung weiterzumachen.
    »Das glaube ich nicht. Nicht überall gibt es Schlitzohren. Wir Argentinier schon, ja, wir sind welche. Wir ziehen durch die Welt und glauben, wir sind in allem die Besten: im Fußball, im Geschäftsleben, im Sex. Letzten Endes sind wir Nervensägen und gehen der halben Menschheit auf den Wecker, sodass sie schon nichts mehr von uns wissen will.«
    »Maura, du übertreibst.«
    »Überhaupt nicht, Pedro Juan. Wir sind echte Nervensägen, und euch wird das Gleiche passieren. Überall, wo ich hinkomme, ist von Kubanern die Rede, dass sie die beste Musik machen, die schönsten Frauen haben und die schärfsten Männer; und auf einmal gibt es überall Kubaner, sie schießen aus dem Boden wie Pilze. Und man denkt: ›Diese Kubaner halten sich wirklich für den Nabel der Welt.‹ Ich sag dir, du wirst schon sehen, sie werden jedem auf den Geist gehen, und alle werden einen Bogen um sie machen.«
    »Na ja, vielleicht geht es nur darum, dass wir uns nicht immer die Schau stehlen lassen wollen.«
    »Kubaner schaffen das vielleicht, im Gegensatz zu uns Argentiniern. Wir sind jeden Tag größere Stars.«
    »Und werdet ihr nie müde? Es ist ziemlich anstrengend, ein neurotischer Star zu sein.«
    »Es ist eine Unart, Pedro Juan. Genauso wie Machtgier. Oder Geldgier. Du redest dir ein, dass dir die Macht zusteht oder alles Gold dieser Welt oder dass du von Gott gesandt wurdest, um die Menschheit zu retten. Und schon sitzt du in der Falle. Es gibt niemanden, der dich da rausholt.«
    Entzückt hörte der Diplomat Maura zu. Ein Dickwanst kam von einem anderen Tisch herüber, um ihn zu begrüßen, und unterbrach unser Gespräch. Er war ein aufgedunsener Kerl, schwabbelig wie Gelatine, ziemlich schwuchtelig, voller Goldkettchen und -ringe, trug ein mit Blumen bedrucktes Hemd und lächelte schmeichlerisch. Verachtenswert. Der Diplomat begrüßte ihn distanziert, aber der Kerl ignorierte das völlig und begrüßte jeden von uns. Er stellte sich mit irgendeinem Namen vor und fügte hinzu: »Ich bin Kunst- und Antiquitätenhändler. Hier bitte, meine Karte.« Er gab Maura seine Visitenkarte. Mich sah er von oben bis unten an und gab mir keine Karte. Kubaner interessierten ihn nicht. Er wandte sich Maura zu: »Señora, küss die Hand.«
    Der Kerl war ein Ekelpaket. Schließlich kehrte er an seinen Tisch zurück. Maura sprang sofort auf:
    »Was für ein schmieriger Kerl!«
    Und der Diplomat?
    »Die Nacktschnecke.«
    »Wie? Man nennt ihn die Nacktschnecke?«
    »Ja. Habt ihr nicht gesehen, was für eine Schleimspur er hinterlässt?«
    »Er behauptet, mit Kunst zu handeln.«
    »Dahinter steckt etwas mehr. Havanna ist wie ein kleines Dorf. Als ich hierher kam, schickte man mir zuerst Mulattinnen. Und zwar viele. Mich interessieren keine Mulattinnen. Dann Mulatten. Einen Adonis, Epheben, charmante, stattliche Männer. Mich interessieren keine Mulatten. Dann Drogen. Ich brauche keine, ich bin allergisch. Dann tauchte die Nacktschnecke auf und bot mir Kunst an: Porzellan, Bronze, alten Schmuck, Gold, Silber, Möbel, berühmte Gemälde. Alles zu Spottpreisen. Eine Versuchung. Und ich wäre fast in die Falle getappt, aber ein anderer Diplomat warnte mich: Stopp, die Nacktschnecke ist giftig. Ich halte ihn mir vom Leibe.«
    »Und dabei bist du so gelassen?«
    »Na ja, man ist zwar nicht Mata Hari, gewöhnt sich aber an einiges. Wenn einem die Nerven durchgehen, muss man sich einen anderen Job suchen. Wir Diplomaten entwickeln Tricks, um zu überleben. Genau wie in jedem anderen gefährlichen Beruf: Fallschirmspringer, Astronauten, Feuerwehrleute. Jeder Beruf hat seine Tricks.«
    »Zum Glück mag ich keinen dieser gefährlichen Berufe.«
    »Deiner ist schrecklich, Pedro Juan. Der schlimmste von allen. Die Mächtigen furchten Ideen und das Wort. Sie haben eine Todesangst.«

11
    Das

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