Animal Tropical
Untersuchung über die Geschichte der Sprachen in Europa und ihren Bezug zur Kultur. Ich lese ein wenig, langsam. Auf Italienisch wäre es leichter für mich.
Agneta kommt früher nach Hause und schuftet wie eine Blöde: Sie sammelt die schmutzige Wäsche ein. Es ist viel. Sie zieht ein Paar abgenutzte, furchtbar alte Holzpantinen an und geht ein ums andere Mal hinunter in den Keller des Hauses, wo die Waschmaschine steht. Zieht ihre Pantinen aus und geht mit dem Staubsauger über den Boden. Putzt alles sauber. In Windeseile. Legt eine CD auf, Pavarotti and friends. Mit einem feuchten Tuch über die Möbel, dann ins Bad, Schaum mit Zitronenduft; sie schrubbt, sie kratzt, sie spült Wasser darüber, alles ganz gründlich. Ich sehe ihr ein bisschen zu. Ach, verdammt auch, sie ist genauso ein Hausdrachen wie Gloria: macht sauber, während sie wie eine Verrückte barfuß hin und her läuft und Musik in voller Lautstärke dröhnt. Dort sind es die Kassetten von Willy Chirino und La India, hier ist es Pavarotti. Im Grunde dasselbe. Ich stelle mir schon ihre verschwitzte, riechende Möse vor. Das erregt mich, und ich muss an Gloria denken. Ich schlucke runter, was ich denke. Ich will ruhig bleiben.
Später sprechen wir über das Buch von Eco.
»Interessiert es dich?«
»Ja.«
»Du widersprichst dir, du bist nicht kohärent.«
»Warum?«
»Vor einigen Tagen hast du mir erklärt, du seist kein Intellektueller.«
»Glaubst du jetzt, du hast mich ertappt? Ich sage dir eins: Lieber verkaufe ich Tomaten und Karotten. Meine wahre Berufung ist das Geschäft, Beträge zusammenrechnen, Geld verdienen. Das ist das Erste, was ich als Kind gemacht habe, zusammen mit meinem Vater: Eis verkaufen, Papiertüten und alte Comics. Aber manchmal lese ich gerne diese so intelligenten, dokumentierten, peinlich genauen Dinge. Es ist faszinierend, dass jemand ein dermaßen perfektes Buch zu fabrizieren vermag. Ich bin ein Stümper. Weißt du das? Ich liebe Stümperei. Es gefällt mir, die Bücher halb fertig zu lassen, mit offenen Eingeweiden, schmutzig.«
»Philosophie eines Tomatenverkäufers.«
»Mag sein. Ich gehe gerne verschmiert, schmutzig auf den Markt und verkaufe Salat, Tomaten, was auch immer. Ich mag die Leute da. Ich fühle mich wohl unter ihnen. Immer sind ein paar vulgäre, provokative Frauen mit großem Arsch darunter, die für ein paar Pesos alles Mögliche tun. Flittchen, Stricherinnen, Nutten, Geschosse made in Havanna. Ich mag diese Rehlein. Und wenn sie dann noch schwarz oder Mulatinnen sind …«
»Wirklich? Magst du die lieber?«
»Ja. Ganz entschieden sogar. Die Verschlagenen und Gewitzten. Du musst lernen aufzupassen, denn immer wollen sie dir Geld abknöpfen. Wie auch immer. Sie haben tausende von Tricks. Sie sind Schauspielerinnen.«
»Wirst du das machen?«
»Was?«
»Das mit den Tomaten.«
»Sicher. Ich schreibe noch ein Buch, und das war’s dann. Ich glaube nicht, dass ich noch viel mehr zu erzählen habe. Und ich will die Leute nicht langweilen, nur um ein paar müde Dollars zu verdienen, und dass sie dann sagen: ›Dieser Kerl ist ein Idiot und schreibt Blödsinn.‹ Nein. Ich habe noch ein weiteres Buch im Kopf, und Schluss. Dann verkaufe ich Tomaten bis zum Ende. Vielleicht male ich weiter. Wenn ich male, denke ich nicht. Und das tut mir gut: nicht denken.«
Agneta schweigt. Schließlich fragt sie mich: »Was für ein Buch ist das?«
»Mucho corazón. So was wie die Biografie einer kleinen Kubanerin. Einer Freundin von mir.«
»Also gut. Einverstanden. Wenn du willst, komme ich ein Jahr nach Kuba und helfe dir.«
»Hahaha.«
»Ich meine es ernst. Ich habe es auch nötig, Tomaten zu verkaufen, das Büro hinter mir zu lassen und Spanisch zu lernen.«
»In Kuba lernst du höchstens Kubanisch. Das ist ein Dialekt.«
»Hahaha.«
»Und ich werde dich kubanisieren, werde dich kolonialisieren. Ich werde dich zwischen den Negern des Cuatro-Camino-Marktes aussetzen, und die werden dich kubanisieren.«
»O nein. Nur mit dir. Lass mich nicht allein.«
»Das sagst du hier. Dort wirst du froh sein, wenn ich dich allein lasse. In einer Woche kubanisierst du dich und genießt die Folklore und die Negerschaft.«
Wieder versanken wir in Schweigen.
»Ich kenne Eco.«
Und sie zeigt auf das Buch auf dem Tisch.
»Ja? Verdammt, hast du illustre Freunde! Nicht schlecht.«
»Ich habe ihn nur einmal bei einer Gelegenheit kennen gelernt. Er kam zu einem Kongress, den ich an der Universität organisiert hatte,
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