Animal Tropical
nicht sprechen. Mir ist der Gedanke gekommen, zwei Romane hintereinander zu schreiben: Mucho corazón, ›Viel Herz‹, mit Gloria in Havanna, und Die schwedische Geliebte mit Agneta in Stockholm. Vielleicht kommen dabei zwei interessante Romane heraus. Gloria spricht ausführlich über alles und macht die Dinge leichter, Agneta aber ist verschwiegen wie ein Grab, das Luder. Um nichts in der Welt will sie über ihre Liebschaften sprechen. Ein Schriftsteller kann so einiges mutmaßen, doch das Überzeugendste ist immer das Reale. Wenn man alles erfindet, ist das Lesevergnügen geringer. Na ja, vielleicht werde ich nie Die schwedische Geliebte schreiben können, aber immerhin amüsiere ich mich. Ich beharre darauf, dass sie lernt, ihn mir zu blasen. Wäre immerhin etwas, denn den Arsch kannst du vergessen. Jedes Mal, wenn ich den Finger nähere, ist sie entsetzt. Bloß den Finger.
»Es ist das erste Mal, dass ich es mit dem Mund mache. Warum glaubst du mir nicht?«
»Ich glaube dir nicht.«
»Warum glaubst du mir nicht?«
Dabei glaube ich ihr, aber ich sage ihr lieber das Gegenteil, damit sie aus sich herausgeht. Am Abend ihres ersten Urlaubstages mixe ich Wodka mit Tomatensaft, Tabasco, Zitrone und Salz.
»Ah, eine Bloody Mary.«
»Heißt das so?«
»Ja. Trinke ich zum ersten Mal.«
»Ich hab das schon als Baby getrunken. Sie haben es mir mit der Flasche verabreicht. Aber ich wusste nicht, wie das heißt.«
»Ich glaube dir nicht.«
»Im Ernst. Ich wurde in einer Bar geboren. Mein Vater führte ein Restaurant mit Bar, und wir wohnten hinten, hinter der Küche.«
»Ohhh.«
»Ich wuchs zwischen Säufern und Huren auf. Sie spendierten mir Eis oder eine Cola, damit ich für sie Chachachá und Mambo tanzte. Von klein an gewöhnte ich mich an Exhibitionismus.«
»Ein Tänzer ist ein Künstler.«
»Und was ist ein Künstler? Ein Exhibitionist. Ein guter Künstler entblößt sich immer vor allen. Und es gefällt ihm.«
Sie probierte den Cocktail.
»Hm, lecker. Er ist köstlich.«
»In Kuba machen wir ihn mit Rum. Du hast noch nie einen probiert? Und woher kennst du seinen Namen?«
»Theoretisch. Ich kenne viele Dinge theoretisch.«
Manchmal schwiegen wir stundenlang. Ich las. In einer nahe gelegenen Bücherei entdeckte ich Bücher auf Spanisch. Sie haben hunderte von Büchern in allen Sprachen. Sogar auf Chinesisch, Koreanisch, Japanisch. Von allem. Das ist etwas Perfektes. Auf Spanisch gibt’s da ungefähr dreihundert Bücher. Die Klassiker. Es ist unglaublich, wie die Schweden über alles Bescheid wissen. Wenn einer diese dreihundert Bücher liest, hat er bereits unsere Klassiker im Kopf.
Agneta findet immer neue Dinge zu tun: Sie wäscht, macht sauber, kocht Spezialitäten, strickt mir einen Pullover, hat einen Sack Kompost gekauft; wir steigen hoch auf den Boden, holen Blumentöpfe und topfen alle Pflanzen um. Sie organisierte eine Salsa-Fete bei einer supersexy Freundin, die zur gleichen Zeit Liebhaber in Paris, Stockholm, Göteborg und Sankt Petersburg hat. Ich musste dauernd tanzen, mit drei Frauen, die sich ständig ablösten, von sechs Uhr nachmittags bis drei Uhr morgens. Mehrere Tage lang hatte ich Muskelkater in den Beinen. Das Beste von allem war, dass der supersexy Birgitta die paar Gläser Whisky zu Kopf stiegen – zudem hatte sie ein bisschen Kokain geschnupft, glaube ich – und sie zu mir sagte: »Oh, Macho, Macho«, und ihre Titten an mir rieb (natürlich große, schöne Originaltitten, made in Sweden). Und sie knetete mich, als sei ich das Brot und sie die Bäckerin. Wahnsinnsluder, diese Birgitta. Agneta lachte laut und sagte auf Spanisch zu mir:
»Du hast ihr erzählt, das sei ein Macho-Tanz. Und sie hat’s ernst genommen.«
Diese Birgitta ließ mich während der ganzen Fete nicht in Ruhe. Sie warf sich mir an den Hals und biss mich fast. Legte mir die Titten auf die Arme und drückte mich an sie. Leise flüsterte sie mir ins Ohr: »Oh, Peter, kein Problem, Agneta ist meine Freundin.« Am Ende der Fete wollte Birgitta einen Ausflug nach Havanna organisieren: »Los, fahren wir alle hin, das gefällt mir. Machos. Das ist ein Macho-Tanz. Los, auf nach Havanna zu den Machos.«
Aber für gewöhnlich sind wir allein und schweigen. Oder hören ein wenig Opernmusik. Zwanzigtausendmal schon habe ich ihr gesagt, dass ich Opern nicht ausstehen kann und sie auf jeden Fall Symphonien auflegen soll. Aber nein. Sie setzt ihren Kopf durch. Um das Schweigen zu brechen, erzähle ich ihr manchmal
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