Animal Tropical
Rebell mit viel Energie. Jetzt ist er über … sechzig. Siebenundsechzig, glaube ich. Und hat eine Frau von vierundvierzig geheiratet.«
»Wie du. Gut so.«
»Hmmm.«
»Ein interessanter Typ, ein Künstler. Würdest du so einen Typen heiraten? Du mit deinen vierundvierzig? Einen achtundsechzigjährigen Mann, meine ich?«
»Ahmmm …«
»Du hättest ein bisschen weniger Sex als mit mir. Oder gar keinen. Oder nur Spielchen. Ich weiß nicht, wie es mit achtundsechzig sein wird. Vielleicht Zunge und Finger.«
»Ahm …«
»Würdest du ihn heiraten? Kein Sex, dafür aber einen originellen Typen?«
»Ah … nein, ich glaube nicht. Jetzt sowieso nicht mehr. Ganz bestimmt nicht.«
»Jetzt nicht mehr?«
»Vor einigen Monaten würde ich geheiratet haben. Aber jetzt nicht mehr. Jetzt interessiert mich Sex viel zu sehr.«
»Viel zu sehr?«
»Viel zu sehr.«
»Und vorher?«
»Vorher nicht. Da dachte ich nie an Sex.«
Wir gingen zurück nach Hause, beladen mit Lebensmitteln, Bier, Säften, Proteinen. Von allem. Ganz entspannt, ohne ein Risiko einzugehen oder gegen das Gesetz zu verstoßen, weil wir das Verbrechen begingen, Proteine in der Tasche zu haben. Hier ist es kein Vergehen, Proteine im Kühlschrank zu lagern. Kein Schwarzmarkt wie in Havanna. Hier ist der Kühlschrank voll. Legal voll, meine ich.
Und wir setzen uns, um die Simpsons zu sehen. Um sieben Uhr. Wir tun, als war alles ein Spiel, aber wir wissen beide ganz genau, dass dies täglich mehr einer Ehe ähnelt. Was ist denn die Ehe anderes als ein System des Komplizentums? Im Wesentlichen ist sie nur das. Alles andere kann auch da sein, muss aber nicht: Liebe, Kinder, guter oder schlechter Sex, Routine, tägliche Gewohnheiten, gegenseitiges Vertrauen oder Misstrauen, Eifersüchteleien, Erinnerungen, Beichten über das Vorleben des jeweils anderen, Geheimnisse, die nie gelüftet werden, gemeinsames Kochen, ein Bier, ein Glas Wein, das Betrachten des goldenen Lichts in der Abenddämmerung. Es sind Kleinigkeiten, vielleicht ohne Bedeutung. Doch nach und nach erwächst zwischen beiden ein System wechselseitigen Komplizentums. Alles, bis hin zum gemeinsamen Betrachten des Sonnenuntergangs, ist ein Bestandteil dieses Komplizentums. Und ohne es zu merken, egal, ob mit oder ohne Gesetzespapiere, gerät man in das Getriebe einer Ehe. Ich weiß, was ich sage. Mir ist das einige Male passiert.
Wie viele Tage bin ich jetzt hier? Seit dem 14. Mai. In vier Tagen sind wir zwei Monate zusammen. Und in drei Wochen fahre ich fort. Doch es kommt uns so vor, als wären wir seit Urzeiten zusammen und würden es auch noch lange bleiben. Das ist eine Illusion. Wir machen Pläne. Vielleicht findest du in der Botschaft in Havanna einen Job, sage ich ihr. Ja, schon möglich, ich kann ein bisschen Spanisch, habe internationale Berufserfahrung, spreche Englisch, Französisch und Russisch, erwidert sie mir. Ich erzähle ihr von meiner Wohnung und was wir an den Wochenenden unternehmen könnten. Begeistert malen wir es uns aus. Dabei wissen wir beide, dass es mehr Illusion ist als Wirklichkeit. Es ist nicht unbedingt unmöglich. Nur unwahrscheinlich. So wie im Roulette gewinnen.
Mit einem Bier und einer Zigarre gehe ich hinaus auf den Balkon. Im Fernsehen laufen die Nachrichten. Bilder von einem U-Boot. Ich glaube, ein englisches. Es überquert den Äquator, und sie stecken den Rekruten Stöcke in den Arsch. Dasselbe Bild wird mehrmals wiederholt, aufgenommen von einem Amateur, zweifellos einem Besatzungsmitglied. Drei nackte Matrosen liegen mit dem Mund nach unten auf dem Deck des U-Boots. Ein paar mit weißen Laken und Neptunskronen verkleidete Matrosen führen ihnen die Stöcke ein. Vielleicht sind es Gummirohre. Jedenfalls sind sie solide und lang. Brutal schlagen sie auf sie ein, damit sie in die Arsche der Rekruten eindringen. Die Kerle mit dem Mund nach unten bewegen ihre Hintern hin und her. Man weiß nicht, ob vor Schmerz oder aus Vergnügen. Danach erscheint der Moderator auf dem Bildschirm, sehr ernst und nüchtern, mit blauem Anzug und Krawatte, und spricht über ein anderes Thema.
Seelenruhig setze ich mich mit meinem Bier und meiner Zigarre auf den Balkon. Die Abenddämmerung ist immer eine gute Zeit, um zu trinken, zu rauchen und nicht zu denken.
Ich höre auf zu denken und komme ins Paradies. In der Küche höre ich Agneta herumwirtschaften. Sie bereitet das Abendessen zu. So mag ich es. Sie besorgt das Geld. Sie bezahlt. Sie fährt den Wagen. Sie kümmert sich
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