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Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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ankamen, stieg Pete aus, ging um den Wagen herum, öffnete mir die Tür und schaute mir in die Augen. »Ich hoffe, wir sehen uns bald.«
    Ich ging. Ich hatte keinen Nerv zum Flirten. In der Wohnung angekommen, schaute ich zuerst nach Katya. Sie schlief fest. Ich nahm zwei Aspirin und legte mich ins Bett. Es dauerte lange, bis ich einschlafen konnte. Zu viel ging mir durch den Kopf. Der Anschlag, Katyas Tablettenexzesse, Sybil, das Lager … Und Pete.

11. Ein nervöser Präsident
    Pete, 36, Geheimagent
    Ich sah keine Chance, an diesem Abend früh zu Bett zu kommen. Angespannt durch die Ereignisse der letzten anderthalb Stunden, fuhr ich zum Weißen Haus, um dem Präsidenten und dem Stabschef Bericht zu erstatten. Mit überhöhtem Tempo durchquerte ich Georgetown, bog in die Pennsylvania Avenue ein und parkte wenige Minuten danach vor dem Wohnsitz des Präsidenten. Meinen Ausweis vorschriftsmäßig ans Revers heftend, stürmte ich durch die Flure mit den protzigen Ölgemälden, die die glorreiche amerikanische Vergangenheit priesen, also Landnahme, Völkermord, Bürgerkrieg. Jedes Land hat seine Helden und Höhepunkte, grinste ich in mich hinein und grüßte die vor mir liegende Galerie mit militärischem Gestus – ein Ritual, das ich jedes Mal in diesen Hallen vollführte und das mir bei den patrouillierenden Bodyguards den Ruf eines vaterlandsverliebten Spinners eingebracht hatte.
    Ich wandte mich zum Oval Office, klopfte an und trat ein. March saß entspannt in einem Sessel. Der Präsident stand mit hochrotem Kopf mitten im Zimmer. Ich gesellte mich zu March und grüßte den Präsidenten mit einem ehrerbietigen Kopfnicken, um meinen gerade in einem Tobsuchtsanfall befindlichen Oberboss nicht zu unterbrechen.
    Der Präsident wuchtete seinen untersetzten Körper hin und her, schwitzend, wild gestikulierend und schreiend: »Diese Schweine, diese Drecksäue! Ich sage Ihnen, die sind hinter mir her, aber mir glaubt ja keiner, Sie halten mich ja für paranoid … Dabei bin ich nirgends mehr sicher! Man muss dieses Geschmeiß auslöschen, ein für alle Mal, koste es, was es wolle! Ich werde ihnen die Eier mit einem Baseballschläger zerquetschen und den Matsch mit glühenden Zangen auseinanderreißen!«
    Ich schlug die Beine übereinander. March zeigte ob dieser meiner unwillkürlichen Vorsichtsmaßnahme den Anflug eines Lächelns. Der Präsident kehrte uns den Rücken zu und holte Luft – eine lebensnotwendige Maßnahme, denn er drohte an seiner Wut schier zu ersticken. »Woher wussten die, dass ich bei Noxville essen wollte? March, das ist Ihr verdammtes Ressort!«
    March antwortete völlig ruhig: »Selbstverständlich hausiert keiner von uns mit Ihrem Terminkalender, Herr Präsident. Bei solchen Geschichten ist absolute Diskretion jedoch fast unmöglich. Mit Verlaub, Sie kennen Noxville, Herr Präsident. Wir können davon ausgehen, dass er mit stolzgeschwellter Brust sein gesamtes Personal um äußerste Perfektion gebeten hat, da Sie sein Haus beehren. Für Noxvilles Leute können wir nicht garantieren. Schnell erzählt ein Hausmädchen im Supermarkt, dass der Präsident zu Gast sein wird. Solche beiläufig erwähnten Neuigkeiten reisen mit Überschallgeschwindigkeit. Wir können natürlich dafür sorgen, Herr Präsident, dass in Zukunft auch bei solchen außerhäusigen Terminen nur noch unser eigenes Personal verwandt wird. Das wäre aufwendig, aber machbar.« March hatte sowohl den richtigen Tonfall als auch das richtige Vokabular gewählt, um den Präsidenten zu beruhigen.
    »Das wird nicht nötig sein, March. Wir werden andere Lösungen finden. Bessere. Endgültige. Wo bleibt Ihr Boss, Pete?«
    »Der muss jede Sekunde hier sein, ebenso der Bericht der Sondereinheit.«
    Die Gesichtsfarbe des Präsidenten ging allmählich von Kirschtomatenrot zu seinem üblichen Schweinchenrosa über. Er hatte sich wieder im Griff. »Pete, schicken Sie dieser Katya einen Strauß Blumen, ach was, kaufen Sie ihr Diamantohrringe, sie hat’s verdient. Nützliche Tierchen, diese Ratten, nicht wahr?«
    In diesem Moment trafen Andrew Snyder, der Secret-Service-Boss, und Sam Rodkin, der Leiter der Sondereinheit, ein. Sam begann noch im Stehen mit einer knappen Zusammenfassung der Ereignisse nach meiner Abfahrt bei Noxville: »Kontrollierte Sprengung, Sachschäden an Noxvilles Grundstück, gesprungene Fensterscheiben in der Nachbarschaft. Keine Verletzten, eine aufgebrochene Dachluke auf einem der gegenüberliegenden Häuser, vermutlich

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