Animus
sie?«, fragte Pete, der den Wagen sicher in den Verkehr einfädelte.
»Nur Kopfschmerzen. Ich dachte, es ist besser, wenn sie sich ausruht. Außerdem habe ich gehofft, du würdest dich freuen, mich zu sehen.«
»Darauf kannst du Gift nehmen.« Pete nahm die rechte Hand vom Steuer und kniff mir zart in die Stelle direkt über dem Knie. Ich schlug ihm lächelnd auf die Hand.
»Wohin geht’s überhaupt? Katya hat heute Morgen nur was von einem blöden Routinejob gesagt.«
Pete nickte. »Wir fahren zu Noxville, du klärst Haus und Garten, weil um neun unser Präsident dort aufläuft und mit Noxville diniert. Wenn alles glattgeht, sind wir in einer Stunde fertig und können einen trinken gehen.«
Ich war froh zu hören, dass ich nur einen kleinen Sicherungsgang durch das Anwesen des Chefs der Staatsbank machen musste.
»Liebend gerne, Pete, aber ein anderes Mal. Ich muss mich um Katya kümmern.«
»Kann die sich nicht einfach einen Eisbeutel auf den Schädel packen und Aspirin nehmen? Die hat bestimmt nur zu viel getrunken. Damit versaut sie uns einen netten Abend.«
»Wenn Katya auf dem Damm wäre, würde sie jetzt neben dir sitzen.«
»Dann würde ich mit ihr einen trinken gehen. Katya, Lucy … mir doch egal.«
Ich boxte ihn schmerzhaft auf den Oberarm.
Pete und ich kannten uns seit vier Jahren. Damals war Pete von seinem Chef ins Lager überstellt worden, um sich einerseits von der Pike auf in das Rattenprojekt einzuarbeiten, und andererseits, um dem General auf die Finger zu sehen. Pete wurde offiziell als mein Schatten eingeteilt. Wir mochten uns auf Anhieb. Seit dieser Zeit herrschte eine gewisse erotische Spannung zwischen uns. Es war jedoch nie zu einem intimen Verhältnis gekommen. Ich wollte mich nicht in der langen Reihe derer wiederfinden, die ihren Lagerkoller und ihre sexuellen Bedürfnisse mit dem Erstbesten, der aufgrund der Umstände immer der eigene Schatten war, befriedigten. Verhältnisse dieser Art wurden von Walcott inoffiziell geduldet. Nicht weil er Verständnis für die Isolation von uns Frauen hätte, sondern weil er der Meinung war, dass wir Weiber besser parierten, wenn man uns ab und zu rannahm, und er außerdem seinen Männern das bisschen Spaß gönnte. Pete war dieser Sorte Spaß prinzipiell sicher nicht abgeneigt. Aber ich hatte das Gefühl, dass er bei mir keinen wie auch immer gearteten Fehler machen wollte. Ein gutes Jahr später war Pete nach Washington zurückbeordert worden, um die Verantwortung seitens des Secret Service für das Projekt zu übernehmen. Die Beobachtungen, die er im Lager gemacht hatte, und die Schwierigkeiten, die nicht zuletzt durch Walcotts restriktive Maßnahmen zu den mir damals noch unbekannten Ereignissen vier Jahre zuvor geführt hatten, rechtfertigten wohl eine deutlich größere Machtbefugnis für den Secret Service. Walcott hatte offensichtlich nicht einmal versucht, sich gegen diesen undisziplinierten jungen Mann, der ihm vor die Nase gesetzt wurde, zu wehren. Erstaunlich genug, aber es gab immer noch vieles, was ich nicht verstand und von dem ich nichts wusste.
Kurz darauf wurden Katya und ich freigestellt und kamen nach einem zweimonatigen Intermezzo in New York ebenfalls nach Washington. Seitdem trafen wir Pete gelegentlich. Es kam nicht häufig vor, dass Pete uns zu unseren Jobs kutschierte. Auch aus den unregelmäßigen Routinedurchsuchungen unserer Wohnung hielt er sich völlig raus. Diese Schnüffelei war ihm peinlich. Doch wenn die Umstände es erlaubten, mimte er den Chauffeur und lud uns nach den Jobs zu einem Drink ein.
Als wir vor Noxvilles Auffahrt ankamen, bedauerte Pete mit unsicherem Lächeln, dass wir nach unserem ersten Geplänkel den Rest der Fahrt schweigend Musik gehört hatten. Wie so oft vermittelte er mir das Gefühl, irgendetwas verpasst oder verpatzt zu haben. Als hätte er mir etwas Bestimmtes sagen wollen, wobei er aber nie andeutete, was es hätte sein können. Er schien verwirrt. Beim Aussteigen hantierte er so unbeholfen, dass er sich den Kopf an der Karosserie stieß. Er fluchte, rieb sich die Beule und verbarg seinen Unmut. Lässig zeigte er dem Sicherheitsbeamten am Eingang der Villa seinen Ausweis, dann stellte er mich dem Bankpräsidenten vor, der uns in der feudalen Halle in die Arme lief. Noxville begrüßte mich gezwungenermaßen – teils mit der angeekelten Neugier eines Eingeweihten, der zum ersten Mal einer Ratte die Hand schüttelt, teils mit dem Unwillen eines Neureichen, der auf die
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