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Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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in Washington bleiben. Ursprünglich wollte ich mir in Seattle einen Job besorgen, aber da Ev dort nicht mehr ist … Am nächsten bin ich ihr im Moment wohl hier, ganz dicht an dir dran. Vielleicht finden wir mal Zeit für eine gemeinsame Kiste Bier. Ich suche mir ein Appartement. Und einen Job an der Uni. Keine Panik, ich benutze wieder meine Originalausweise und -nummern. Meine wirkliche Identität ist sauber. Michael Blake ist tot. Siehst du, jetzt hast du doch noch den Namen eines Terroristen von mir bekommen«, lächelte er. »Aber der existiert nicht mehr, tut mir leid.«
    »Mir nicht«, lächelte ich zurück. »Welcome back, Westwood.«
    In diesem Moment gab es einen lauten Knall auf der Straße. Marc und ich sprangen gleichzeitig auf, liefen zur Tür und rissen sie auf.
    »So eine verfickte Scheiße!«, fluchte ich. Mein BMW stand in lichterlohen Flammen, von der nächsten Häuserecke grinste mich einer der Jungs aus dem Hauseingang an. Um seinen Zeigefinger rotierte der Abzugsring einer Handgranate. Dann war der Typ weg. Ich wollte schon hinterher, Mordlust in meinem Blick, doch Marc hielt mich fest. »Bringt nichts. Da stehen zehn hinter der Kurve und warten auf dich. Und Wummen haben die auch. Du hättest mit der U-Bahn kommen sollen. Keine gute Gegend hier.«
    »Nicht witzig«, knurrte ich. Ich wusste, er hatte recht.
    Ich schaute noch ein letztes Mal zu meinem Wagen. »Diese Scheißhaufen, diese elenden Scheißhaufen!«

21. Im Weißen Haus
    Lucy, 43, Sensor Stufe 10
    Katya hatte mich mal wieder überredet, einen ihrer Jobs zu übernehmen. Ihr Lover Nicolas war überraschend in der Stadt, und ich konnte Katya praktisch nichts abschlagen. Unseren Vorgesetzten war es egal, wer von uns beiden die Routineüberprüfung vornahm. Hauptsache, eine Ratte Stufe zehn machte die Arbeit, und wir stellten keine dummen Fragen. Etwa, warum die noch nicht ausreichend ausgebildete Becky diesen Job in New York zugewiesen bekommen hatte, bei dem sie pulverisiert worden war.
    Seit dem Vorfall bei Noxville mussten Katya oder ich jeden zweiten Tag im Weißen Haus antreten, um durch die Flure zu gehen, in den Büros und Salons herumzuschnüffeln, die unterirdischen Gänge zu begutachten – das ganze Riesengebäude vom First bis zur Sohle. Jeder Kontrollgang dauerte circa sechs bis acht Stunden, eine öde Angelegenheit, die jegliche Konzentration abstumpfte. An diesem Tag jedoch war es für mich recht angenehm. Ich ignorierte die Unruhe, die in letzter Zeit mein steter Begleiter war und sich vor allem bei den Routinechecks in den Vordergrund schieben wollte. Stattdessen plauderte ich während des ganzen Weges mit Frank, dem Agenten, der mich auf dem Rundgang begleitete. Frank war Anfang fünfzig und hatte nie die große Karriere angestrebt. Möglicherweise, weil er zu träge war. Möglicherweise aber auch, weil er rundum zufrieden war mit seinem Leben, seiner subalternen, stressfreien Position im Machtgefüge. Jedenfalls wirkte er so. Ein ausgeglichener Charakter mit feinsinnigem Humor. Ich mochte Frank. Er wirkte beruhigend, besaß eine angenehme Stimme und eine formvollendete Fähigkeit zu gepflegter Konversation. Selbst dem Thema Wetter konnte er stets neue, interessante Aspekte abringen. An heißen Tagen analysierte er gern das Zusammenspiel von Temperaturen und Temperamenten und synthetisierte daraus überraschende Definitionen von Unfallstatistiken und Kriminalitätsraten. An diesem sehr kalten Tag amüsierte er mich mit Details über die Auswirkungen von vorzeitigen Wintereinbrüchen auf die Schweinezucht.
    »Du wirst es nicht glauben, Lucy«, fuhr er mit süffisantem Grinsen mit seinem nun schon halbstündigen Vortrag fort. »Selbst Schweine, die in großen Zuchtbetrieben gehalten werden, fast nie Tageslicht sehen und permanent gleichmäßigen Temperaturen ausgesetzt sind, spüren den vorzeitigen Kälteeinbruch und reduzieren ihre sexuellen Aktivitäten.«
    »Das finde ich durchaus nachvollziehbar.«
    »Aber die werden auch stinksauer deswegen«, versuchte Frank seiner Geschichte eine verblüffende Wendung zu geben. »Meine Eltern hatten ein Schwein auf ihrer Farm in Alabama, das bekam bei Minustemperaturen extrem schlechte Laune. Sobald mein Vater den Stall betrat, drehte es sich herum und urinierte ihm an den Stiefel. Das muss irgendwie ein psychisch bedingter Kontrapunktmechanismus sein zu der erhöhten Flatusfrequenz bei asiatischen Wasserbüffeln im Sommer.«
    Ich musste lachen. »Was in Gottes Namen haben deine

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