Animus
Situation sofort, schob die paralysierte Tochter des Präsidenten in die Wohnung zurück, wo sich die Hausdame um sie kümmern konnte. Dann schloss er die Tür, nahm dem Präsidenten die Pistole aus der Hand, schaute kurz darauf, erkannte die Secret-Service-Dienstwaffe und gab sie Frank zurück. Der steckte sie wortlos ein und sprach leise mit einem ebenfalls herbeigeeilten Wachmann, um den diskreten Abtransport der Leiche und die Beseitigung der Spuren im Flur zu organisieren. Pete hatte mich die ganze Zeit am Arm gepackt, als müsste er mich festhalten. Er schaute von mir zum Präsidenten, dann wieder zu mir. Forschte in meinen entsetzten Augen. March befahl Pete, mich wegzubringen. Er wollte sich um den Präsidenten kümmern.
Pete legte den Arm um meine Taille und brachte mich in den nächstgelegenen Waschraum. Dort ließ er ein Becken mit warmem Wasser volllaufen und tauchte den Zipfel eines Papierhandtuchs hinein. Vorsichtig, fast sanft begann er, meine Wangen vom Blut zu säubern. Ich nahm ihm das Handtuch aus der Hand und tauchte meinen Kopf in das Wasser. Ich blieb so lange unten, dass Pete es mit der Angst bekam und mich anschubste. Mit einem Ruck zog ich meinen Kopf aus dem Becken und sah in den Spiegel, an dem einige Tropfen Wasser herunterliefen, die ich mit meiner schwungvollen Kopfbewegung dagegengespritzt hatte. Ich war mir fremd, so fremd. Pete ließ das rosa gefärbte Wasser ablaufen und versuchte, die an der Keramik klebenden Gewebeklümpchen restlos mit hinunterzuspülen. Ich wusch mich gründlich unter fließendem Wasser und rubbelte schließlich Gesicht, Hände und Haare notdürftig mit dem Handtuch trocken. Als ich fertig war, bat ich Pete, mich nach Hause zu fahren.
»Wir müssen zur Zentrale. Mein Auto ist kaputt, ich bin mit dem Taxi hier. Ich besorge uns einen Dienstwagen.«
Unsere Fahrt verlief schweigend. Ich schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Fensterscheibe. Als wir eine halbe Stunde später vor meiner Wohnung parkten, bat ich Pete auf einen Kaffee hinauf: »Katya ist nicht zu Hause. Ich würde es hassen, jetzt allein zu sein.«
»Wo treibt sich Katya denn schon wieder rum?« Er schloss den Wagen ab und folgte mir ins Haus zum Fahrstuhl.
»Die hat ein Rendezvous.«
»Ist sie immer noch mit diesem Nicolas zugange?«, fragte er beiläufig.
»Wenn nicht, wüsstet ihr es doch als Erste. Vermutlich noch vor Katya.« Ich drückte genervt auf den obersten Knopf im Fahrstuhl. »Wo würde es mit diesem Land wohl hinkommen, wenn wir ohne euer Wissen und euren Segen rumvögeln würden?«
»Hör auf zu zicken. Kann ich etwas dafür?« Das Thema war Pete unangenehm. Plötzlich wirkte er sehr unbeholfen auf mich.
»Keiner kann etwas dafür, schon klar, das sagen alle.« Ich entschwand durch die Fahrstuhltür, die sich gerade öffnete, und schloss die Wohnung auf. Es war inzwischen neun Uhr abends und stockfinster. Ich schälte mich aus dem Mantel und hängte Petes Jacke an die Garderobe. »Was war denn mit diesem Jungen, den der Präsident gerade massakriert hat? Den habt ihr doch garantiert auch überprüft?«
Wir gingen ins Wohnzimmer. Pete setzte sich aufs Sofa und zündete sich eine Zigarette an. Ich nahm sie ihm aus der Hand, um sie selbst zu rauchen. Pete zündete sich eine neue an.
»Es gab kein verdächtiges Material über ihn, sonst hätten wir ihn abkassiert. Wäre auch besser für den Jungen gewesen, meine Fresse! Ich vermute, dass er ein Einzeltäter war, ein Verrückter, der seine fünfzehn Minuten Berühmtheit nicht abwarten konnte. Den Arsch hätte man ihm versohlen sollen. Hat garantiert nichts mit irgendeiner Organisation zu tun, sonst hätten wir ihn in der Kartei.«
Ich lachte verächtlich auf. »Du glaubst doch nicht im Ernst, ihr wüsstet über alle und jeden Bescheid?«
»Annähernd.«
Ich drückte meine halb gerauchte Kippe aus und verschwand für eine Dusche im Bad. Ich musste aus den Klamotten raus. Als ich zurückkam, hing würziger Duft in der Luft. Pete hatte den Kaffee in unserer chaotischen Küche gefunden, eine dampfende Kanne und zwei Tassen zum Wohnzimmertisch gebracht, eine Schale mit Schokoladenkeksen dazugestellt und fünf Kerzen angezündet.
»Läufst du zu Hause immer so rum?«, entfuhr es ihm.
Ich trug ein bodenlanges nachtblaues Wollkleid mit tiefem Ausschnitt und hatte die Haare hochgesteckt. Falls Petes Frage die Eröffnung zu einem Flirt darstellen sollte, war sie reichlich ungeschickt formuliert. Aber er stand wohl auch noch unter
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