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Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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Schweine in Alabama mit furzenden Büffeln in Asien gemeinsam?«
    Frank machte ein todernstes Gesicht. »Du glaubst, ich verkohle dich. Aber darüber gibt es eine wissenschaftliche Untersuchungsreihe. Die bestätigt meine Temperaturtheorie bis ins Kleinste.«
    Wir waren auf dem Rückweg, als wir zum Wohntrakt des Präsidenten gelangten, den ich schon gecheckt hatte. Der Präsident stand im Kreuzgang vor der Tür zum Blauen Salon und schüttelte einem jungen Mann die Hand, offensichtlich um ihn zu verabschieden. Es war der Freund seiner neunzehnjährigen Tochter, der das First Teenie seit einiger Zeit umwarb und inzwischen freien Zugang zum Allerheiligsten hatte. Ich kannte ihn vom Sehen und wusste, dass der Präsident ihn für einen tüchtigen Kerl mit guten Aufstiegschancen hielt. Ich hingegen hielt ihn für einen angepassten Schleimer, der sich nur in Anzug und Krawatte warf und die Präsidententochter vögelte, um im Weißen Haus ein- und ausgehen zu dürfen. Inzwischen waren Frank und ich auf gleicher Höhe mit den beiden Männern. Im Vorübergehen hörte ich die höflich-witzigen Floskeln, die der Präsident und der junge Mann austauschten. Ich wollte mich schon unauffällig in den nächsten Flur zurückziehen, als ich es sah. Unvermittelt und aus dem Zusammenhang gerissen, wie ich es in solchen Fällen immer sehe.
    Waffe. Finger am Abzug. Jetzt. Eine blutverschmierte Fratze, ein Brei von einem zerschossenen Gesicht, rotklebriger Klumpen ohne Augen, ohne Nase. In der gleichen Millisekunde verspürte ich einen dumpfen Schmerz in der Brust, dann reagierte ich auch schon. Ich sprang mit aller Wucht, zu der ich fähig war, gegen den jungen Mann, der gerade eine kleine Pistole aus der rechten Sakkotasche beförderte und im Begriff war, sie auf den Präsidenten zu richten. Durch meinen Angriff ging sein Schuss ins Leere, er stolperte, fiel nach hinten, stürzte auf den weichen Teppichboden, knallte kurz mit dem Kopf auf, und schon war Frank über ihm, trat ihm mit einem gezielten Kick die Pistole aus der Hand, versetzte ihm einen Fausthieb auf den Solarplexus und Millisekunden später noch einen mitten ins Gesicht. Blut träufelte aus der Nase des Jungen. Frank zog seinen Revolver und hielt ihn dem jungen Mann an die Schläfe: »Los, steh auf, die Hände über den Kopf, mach schon!«
    Der Präsident lehnte erschrocken an der Wand. Er schaute verständnislos von mir zu Frank und schließlich nach unten zu dem Verlierer, dem er gerade noch freundlich die Hand geschüttelt hatte und der jetzt zitternd dalag, vor ihm auf dem weichen Teppichboden.
    Der Präsident fixierte ihn. Dabei gewann er zusehends seine Fassung wieder. Zwei tiefe Atemzüge reichten. Ohne die Augen von dem Attentäter zu lassen, befahl er Frank: »Geben Sie mir Ihre Pistole.«
    Frank schaute ihn irritiert an. Der Präsident wiederholte in schärferem Tonfall: »Ihre Pistole, hören Sie schlecht?«
    Frank gab ihm die Pistole.
    Ich kämpfte gegen einen Schwall aufsteigender Übelkeit an. Ich war durcheinander. Der Präsident hob die Waffe und setzte an. Ich schaute zu dem Jungen. Er war höchstens Anfang zwanzig. Sah nun hoch zu uns. In seinen Augen verblasste der Glanz jugendlicher Arroganz. Kurz glühte noch ein Rest von der überheblichen Gewissheit auf, gleich etwas Großes zu tun, von dem die Welt reden würde. Doch sie schwand sichtbar, das Bewusstsein des Scheiterns trat hervor. Er verstand. Seine Selbstbehauptung brach. Er brach, in der kläglichen Gewissheit, nichts Großes getan zu haben, nichts, niemals Großes mehr tun zu können, sondern statt groß, bedeutend und unsterblich klein, ein Nichts und gleich tot zu sein.
    Der Präsident schien darauf gewartet zu haben. Er schoss. Einmal, zweimal, dreimal. Kaltblütig. Mitten ins Gesicht, aus einer Entfernung von einem knappen Meter. Eine Mischung aus Blut, Fleisch, Knochensplittern und Hirn spritzte durch die Luft, auf den Teppichboden, die Wand. Auf den Präsidenten, auf Frank, auf mich. Ein gellender Schrei ertönte. An der Tür zum Blauen Zimmer stand die Tochter des Präsidenten, die beim ersten Schuss herbeigeeilt war und nun vor der verstümmelten Leiche ihres Freundes stand. Durch den Flur erklangen schnelle Schritte und Rufe. Ich hatte meinen Blick in der letzten Sekunde der Ereignisse in den Präsidenten gebohrt und wendete mich ab.
    Es waren March und Pete, die herbeigerannt kamen. Sie waren auf dem Weg hierher gewesen, um den Präsidenten zu einer Sitzung abzuholen. March erfasste die

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