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Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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einmal ab.
    »Ich kannte sie schon, als sie noch ein Kind war. Ich wollte sie einfach nur aus dem Knast rausholen. Ihre Daten waren gut, aber da sie noch eine quicklebendige Mutter hat, dachte ich, ich sollte ein wenig auf die Pauke hauen, damit sie nicht abgelehnt wird. Okay, das war nicht sauber, aber sie ist wirklich gut genug fürs Programm!«
    »Okay«, wehrte Snyder beschwichtigend ab. »Ich habe mir schon etwas Ähnliches gedacht. Vor allem als Sie sich dafür einsetzten, der Mutter keine Todesnachricht, sondern irgendeinen softeren Scheiß zukommen zu lassen. Sie kennen die Mutter wohl auch? Nun gut. Das Ganze hat keine Kreise gezogen. Hoffentlich. Aber sie soll sich ja auch prächtig machen, diese Kleine. Schmelzer ist ganz begeistert von ihr. Wie praktisch, dass sie nach Washington darf, nicht wahr? Sie sind an ihr interessiert, stimmt’s, Pete?«
    Ich nickte. Könnte von Vorteil sein, wenn sich die Angelegenheit in diese Richtung hinbiegen ließe, dachte ich. Beruhigend war vor allem auch, dass in Zusammenhang mit Ev nur von der Mutter geredet wurde. Die Verbindung zu Charlie und damit zu Marc war glücklicherweise nicht aktenkundig, da Charlie stets seine alte Wohnung in Dallas behalten hatte und er und Marc dort gemeldet waren. Ich zündete mir eine zweite Zigarette an.
    »Von welchem Meeting haben Sie vorhin gesprochen? Und von welchen Antiterrorrichtlinien?«
    Snyder sah mich mahnend an. »Nur noch so viel: keine Alleingänge in Zukunft. Was die Beobachtung betrifft … Es muss doch rauszukriegen sein, wer die Zielperson ist: Sie oder Lucy. Ich werde mich umhören. Vielleicht haben sich Lucy und Katya getäuscht. Doch nun zu der anderen Geschichte. Die ist noch weit unerfreulicher als unsere bisherigen Themen.« Snyder nahm seine Zigarre aus dem Aschenbecher, klopfte sie ab und entzündete sie neu. Offensichtlich wusste er nicht, wo er anfangen sollte. Und so begann er auch etwas umständlich.
    »Ich habe erwähnt, dass Walcott eine Truppe zusammenstellt. Wir haben, wie Sie wissen, auf Geheiß des Präsidenten ein Papier mit neuen Strategien zur Terroristenbekämpfung erstellt. Dieser Maßnahmenkatalog wurde letzte Woche abgegeben. Dem Präsidenten hat’s nicht gefallen. War ihm zu lasch. Also hat er sich auf seinen Hosenboden gesetzt und selbst was zusammengebraut. Ein wahrhaft höllisches Gemisch, Pete, ich zeige es Ihnen gleich. Walcott hat seine Kopie, ebenso wie March. Die beiden sind seit gestern dabei, und genau diesen Auftrag haben der CIA, die NSA und wir vom Secret Service auch, eine unserer Abteilung gemäße Logistik zur Verwirklichung dieser satanischen Verse zu erstellen. Einige Juristen arbeiten an Gesetzesentwürfen, um einen Teil der präsidialen Ideenwelt judikativ zu verankern. Bei einem Großteil wird das unmöglich sein, die meisten der für den gewünschten Erfolg nötigen Operationen sind höchst illegal und sollen geheim durchgeführt werden. Die Entwürfe, die einigermaßen präsentabel sind, werden im Januar bei einer kleinen konspirativen Zusammenkunft ausgewählten Politikern vorgelegt, nämlich denen, die auf dem demokratischen Ohr sowieso völlig taub sind oder mit dem einen oder anderen Argument zum Lobbyisten dieser Maßnahmen umfunktioniert werden können. Die sollen dann wiederum in ihrem Einflussbereich den Boden bereiten, auf dem die Saat des Teufels aufgeht. Die Zusammenkunft wird von March vorbereitet. Deswegen war er auch so schnell damit einverstanden, das Rattentreffen in Washington stattfinden zu lassen. Stufe Zehn bis einschließlich Stufe Sieben, also alle Aktiven, sollen nämlich für dieses Treffen als Sensoren hierbleiben.«
    »Jetzt wird einiges klarer«, murmelte ich.
    »Was Ihnen aber noch unklar sein wird, ist das Ausmaß der neuen Maßnahmen. Darf ich Sie zum zweiten Dessert an den Tisch bitten? Aber Vorsicht, es ist schwer verdaulich.«
    Snyder stand auf und ging zu dem wuchtigen Schreibtisch, der in der hinteren Ecke des Raumes stand. Er schaltete den Computer ein, nahm einen Stick aus einer zweifach verschlossenen, mit Metall ausgekleideten Schublade und schob ihn in den Computer. Ich begann zu lesen. Snyder nahm wieder in seinem Clubsessel Platz, goss sich einen Brandy nach und schwieg. Nach etwa zwanzig Minuten erhob ich mich vom Schreibtisch, ging hinüber zu Snyder und ließ mich schwer in den Sessel fallen.
    »Dieser Wahnsinn hat Methode«, meinte ich nach einer Weile.
    »Kann man wohl sagen«, gab Snyder zurück.

29. Heiligabend
    Lucy, 43,

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