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Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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verkrustet von Chilisoße. Wie der Schauplatz eines schrecklichen Verbrechens, dachte ich grinsend. Eines Lustmordes. Ich ging in die Küche, nahm eine Tüte Orangensaft aus dem Kühlschrank und setzte mich. Mein Kopf dröhnte. Nach einer Weile begann ich mich zu langweilen, doch ich wollte weder Pete wecken noch das Wohnzimmer aufräumen. Dieses Stillleben von Sex und Satisfaktion sollte Pete nicht entgehen. Ich schlenderte durch die Wohnung, betrachtete die Landschaftsfotos von Colorado im Flur, betrat, ohne darüber nachzudenken, das Arbeitszimmer. Als ich den Computer sah, kam mir eine dumme Idee. Ich würde Pete eine Nachricht auf dem Computer hinterlassen. Wenn er das nächste Mal am Schreibtisch saß, würde er an mich denken. Kindisch zwar, fand ich, aber er würde sich bestimmt freuen. Der Computer war auf Stand-by, ich brauchte also kein Passwort. Ich ließ Petes Dokumente nach Uhrzeiten ordnen und fand eines, an dem er gestern Morgen noch gearbeitet hatte. Sollte ich es öffnen oder lieber ein eigenes Dokument anlegen? Doch wer weiß, wann er meine Nachricht auf einem Extradokument finden würde. Ich öffnete, wider besseres Wissen und vor allem auch meiner Neugierde nachgebend, den zuletzt benutzten Text, der unter dem Namen »Endlösung« abgespeichert war. Als ich zu lesen begann, wurde mir klar, dass der Nazibegriff nicht willkürlich gewählt war. Es handelte sich um ein Anti-Terrorprogramm vom Präsidenten höchstpersönlich, ein Konglomerat von faschistoiden Maßnahmen, zusammengefügt aus Hitlers krankhaften Hirngespinsten und den Vorgehensweisen international berüchtigter Irrer wie Stalin, Mussolini, Franco, Pinochet. Ohne jegliches Schamgefühl oder auch nur den Hauch politischen Unrechtsbewusstseins hatte der Präsident spezielle Taktiken mit den dazugehörigen Quellen versehen, die Erfolgsstatistiken der Vernichtung angeführt. Sein erklärtes Ziel war es nicht nur, die schon operierenden Terroristen durch rigorose Aktionen »mit Stumpf und Stiel« auszurotten, sondern auch das Heranwachsen neuer, potenziell gefährlicher Personen im wahrsten Sinne des Wortes im Keime zu ersticken. Probate Mittel zu diesem Zweck waren ihm Geburtenkontrolle bei sozial Unterprivilegierten, Sterilisierung von Straffälligen, Arbeitslager für verhaltensauffällige Jugendliche und der Aufbau eines weitverzweigten Systems von Denunzianten. Als ich bei einem Kapitel anlangte, das die Ratten, ihre massenweise Rekrutierung und ihren verstärkten Einsatz betraf, mit einem zusätzlichen Passus über das Einschläfern der Sensoren, sobald die ersten Anzeichen eines Synapsenkollapses festzustellen seien, glaubte ich ein Geräusch zu hören. Schlagartig wurde mir bewusst, dass Pete wahrscheinlich nicht erfreut sein würde, wenn er mich beim Lesen seiner geheimen Dokumente erwischte. Ich schloss eilig das Textfenster, kehrte zum Menü zurück und schaltete den Computer aus. Wieso, verdammt noch mal, hatte er so etwas auch unverschlüsselt in seinem Rechner, fragte ich mich wütend, um einen Teil der Schuld für meinen unerlaubten Zugriff auf ihn abzuwälzen. Ich verließ das Büro und ging ins Wohnzimmer. Dort stand Pete, nackt und grinsend, und besah sich das Chaos.
    »Sieht gut aus hier, nicht wahr?«, begrüßte er mich. Ich setzte mein unschuldigstes Lächeln auf.
    Pete lächelte mich an und ging pfeifend zum Badezimmer. Als er wieder zurückkam, hatte ich Kaffee gekocht. Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen, doch das, was ich gerade gelesen hatte, nahm so viel von meiner Konzentration in Anspruch, dass ich fürchtete, als lockere Gesprächspartnerin am Frühstückstisch zu versagen.
    »Ich bin nicht ganz auf dem Damm. Wärst du sauer, wenn ich nach der Tasse Kaffee verschwinde? Ich möchte gerne nach Hause, mich duschen und umziehen.«
    »Du kannst doch hier duschen.« Pete schien etwas enttäuscht.
    »Ich habe keine Klamotten zum Wechseln mit. Mein Slip ist auch zerrissen«, wiegelte ich mit gespieltem Vorwurf ab. »Oder soll ich dir noch beim Aufräumen helfen?«
    »Wieso helfen? Ich dachte, das machst du allein. Schließlich habe ich heute Nacht die ganze Arbeit gemacht!«
    Ich warf einen Löffel nach ihm, doch er duckte sich noch rechtzeitig.
    Pete hob beschwichtigend die Hände. »Wenn du nicht sauer bist, dass ich dich nicht fahre, sondern ein Taxi rufe, dann bin ich nicht sauer, dass du mich schon allein lässt.« Das Taxi war wenige Minuten später da. Ich verabschiedete mich innig von ihm. Doch kaum hatte

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