Anita Blake 03 - Zirkus der Versammten
sie zwischen zwei Sitzreihen, dann packte ich den nächstbesten großen Mann, sexistisch wie ich bin, und schrie: »Helfen Sie ihr!«
Der Mann blickte mich verwundert an, als hätte ich in Zungen geredet, aber seine Panik ließ nach. Er fasste die Frau beim Arm und begann sich mit ihr zum Ausgang zu schieben.
Ich durfte die Schlange nicht in die Menge gelangen lassen. Nicht, wenn ich es verhindern konnte. Scheiße. Ich stand im Begriff, den Helden zu spielen, verdammt. Ich begann, gegen die Flut anzukämpfen und nach unten zu steigen, während jeder andere nach oben drängte. Ein Ellbogen traf mich am Mund und ich schmeckte Blut. Bis ich unten war, würde alles vorbei sein. Oh Gott, hoffentlich.
7
Ich trat aus der Menge wie durch einen Vorhang. Mir kribbelte die Haut von der Erinnerung an die schiebenden Leiber, aber ich stand allein auf der untersten Stufe. Die schreiende Menge war weiter oben und drängelte zu den Ausgängen. Hier unten an der Manege war niemand mehr. Die Stille legte sich mir in dichten Falten um Gesicht und Hände. In der dumpfen Luft fiel das Atmen schwer. Magie. Ob von den Vampiren oder der Kobra, wusste ich nicht.
Stephen stand mir am nächsten, ohne Hemd, schlank und irgendwie elegant. Yasmeen hatte sein blaues Hemd angezogen, um ihren nackten Oberkörper zu verbergen. Sie hatte es vorn geknotet, sodass man ein braunes Bäuchlein sah. Marguerite stand neben ihr, die Gestaltwandlerin an Stephens rechter Seite. Sie hatte ihre hochhackigen Schuhe beiseite geworfen und war barfuß.
Auf der gegenüberliegenden Seite war Jean-Claude zusammen mit zwei neuen blonden Vampiren. Er blickte zu mir herüber. Ich spürte seine Berührung in mir, wo eigentlich keine Hand hingelangen sollte. Es schnürte mir die Kehle zu, am ganzen Körper brach mir der Schweiß aus. Nichts hätte mich in diesem Augenblick dazu bringen können, näher an ihn heranzugehen. Er versuchte, mir etwas zu sagen. Etwas Vertrauliches und zu Intimes, um es auszusprechen.
Ein heiserer Schrei lenkte meine Aufmerksamkeit auf die 1Vlanegenmitte. Zwei Männer lagen zerrissen und blutend auf der Seite. Die Kobra bäumte sich über ihnen auf. Wie ein beweglicher Turm aus Muskeln und Schuppen. Sie zischte uns an. Laut und hallend.
Die Männer lagen vor dem Schlangenleib. Einer zuckte. Lebte er noch? Ich knetete den Handlauf, bis mir die Finger schmerzten. Ich hatte solche Angst, dass ich im Rachen Galle schmeckte. Meine Haut war eiskalt. Haben Sie je so einen Traum gehabt, wo überall Schlangen sind, wo der Boden so dicht bedeckt ist, dass man auf sie tritt? Das ist fast klaustrophobisch. Bei mir endet der Traum immer so, dass ich zwischen Bäumen stehe und Schlangen auf mich herabregnen, und dann kann ich nur noch schreien.
Jean-Claude streckte mir eine Hand entgegen. Die Spitze bedeckte sie bis auf die Fingerspitzen. Alle anderen starrten auf die Schlange. Jean-Claude starrte mich an.
Einer der Verwundeten bewegte sich. Ein leises Stöhnen entkam seinen Lippen und hallte in dem riesigen Zelt wider. War das Einbildung oder hatte der Laut wirklich ein Echo hervorgerufen? Es spielte keine Rolle. Er lebte noch, und wir hatten dafür zu sorgen, dass es so blieb.
Wir? Was sollte dieses Wir-Gerede? Ich sah in Jean-Claudes tiefe blaue Augen. Sein Gesicht war schrecklich leer, alle Gefühle, wie ich sie kannte, weggewischt. Mit seinen Augen konnte er mich nicht überlisten. Dafür hatte er selbst gesorgt, mit seinen Zeichen. Aber mir etwas vorzugaukeln - wenn er es darauf anlegte -, war nach wie vor möglich. Er legte es darauf an.
Er schickte mir keine Worte, sondern einen Zwang. Ich wollte zu ihm gehen. Zu ihm rennen. Um den glatten, festen Griff seiner Hand zu spüren. Die zarte Spitze auf meiner Haut. Ich lehnte mich an das Geländer, mir schwindelte. Ich musste mich festhalten, um nicht zu fallen. Was zum Teufel war das für ein Spiel? Wir hatten jetzt andere Probleme, oder? Oder machte ihm die Schlange keine Sorgen? Vielleicht war das alles ein Trick. Vielleicht hatte er der Kobra befohlen, rasend zu werden. Aber wozu?
Mir stellten sich sämtliche Haare auf, als hätte mich ein unsichtbarer Finger gestreift. Ich bebte und konnte nichts dagegen tun.
Ich starrte auf zwei sehr schöne schwarze Stiefel, die lang und weich waren. Ich hob den Kopf und blickte in Jean-Claudes Augen. Er hatte seinen Platz verlassen und war zu mir gekommen. Das war mir entschieden lieber, als zu ihm
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