Anita Blake 03 - Zirkus der Versammten
dazwischen und versuchte zu ertasten, ob da eine Verletzung war.
Es muss ausgesehen haben, als befummelte ich die Tote, aber es gab keine würdigere Art, der Frage nachzugehen. Ich schaute hoch und versuchte, die feste Gummiartigkeit der Haut zu ignorieren. Im Westen war nur noch ein roter Fleck am Himmel wie die letzte Kohlenglut. Dunkelheit überzog den Himmel wie Tinte. Und die Beine der Frau gaben unter meinen Händen nach. Ich fuhr zusammen.
Fast hätte ich die Lampe verschluckt. Nervös, ich? Die Haut der Toten war weich. Vor einem Augenblick war das noch nicht so gewesen. Ihre Lippen waren leicht geöffnet. Waren sie nicht eben noch geschlossen gewesen?
Das war verrückt. Selbst wenn ein Vampir aus ihr geworden war, würde sie sich nicht vor der dritten Nacht erheben. Und sie war an vielen Bissen bei einem wahren Blutgelage gestorben. Sie war tot, einfach tot.
Ihre Haut schimmerte weiß in der Dunkelheit. Der Himmel war schwarz. Vielleicht stand der Mond in den schwarz-violetten Wolken, aber er war nicht zu sehen. Dennoch schimmerte die Haut wie im Mondschein. Nicht dass sie richtig leuchtete, aber doch beinahe. Ihre Haare glänzten wie Spinnweben im Gras. Vor einer Minute noch war sie tot gewesen; jetzt war sie ... schön.
Dolph ragte über mir auf. Mit seinen zwei Meter fünf tat er das auch, wenn ich aufrecht neben ihm stand; wenn ich kniete, wirkte er gigantisch. Ich stand auf, streifte einen Handschuh ab und nahm die Taschenlampe aus dem Mund. Fassen Sie niemals etwas an, das Sie wahrscheinlich in den Mund stecken werden, wenn Sie soeben die offenen Wunden eines Fremden berührt haben. Wegen Aids, wissen Sie. Ich schob die Lampe in die Brusttasche meines Overalls. Dann zog ich den zweiten Handschuh aus und stopfte beide in eine Seitentasche.
»Nun?«, fragte Dolph. »Kommt sie Ihnen anders vor?«, fragte ich. Er zog die Stirn kraus. »Was?« »Die Leiche, kommt sie Ihnen anders vor?«
Er blickte auf den bleichen Leib. »Jetzt, wo Sie es sagen, ja. Sie sieht aus, als würde sie schlafen.« Er schüttelte den Kopf. »Wir werden einen Krankenwagen rufen müssen, damit der Arzt den Tod feststellt.«
»Sie atmet nicht.« »Wollen Sie den Umstand, dass Sie nicht atmen, als einziges Kriterium Ihres Todes berücksichtigt wissen?« Ich überlegte einen Augenblick. »Nein, vermutlich nicht.«
Dolph blätterte durch sein Notizbuch. »Sie haben gesagt, dass ein Mensch, der an vielen Vampirbissen gestorben ist, nicht als Vampir wieder aufstehen kann.« Er las mir meine eigenen Worte vor. Das hatte ich davon.
»In den meisten Fällen stimmt das.« Er schaute auf die Frau hinunter. »Aber nicht in diesem.« »Leider nicht«, sagte ich. »Erklären Sie mir das, Anita.« Er klang nicht erfreut. Ich nahm's ihm nicht übel.
»Manchmal genügt ein Biss, damit der Tote als Vampir wiederkehrt. Ich habe nur ein paar Aufsätze darüber gelesen. Ein sehr mächtiger Meistervampir kann eine Leiche mitunter durch Berührung kontaminieren.«
»Wo haben Sie diese Aufsätze gelesen?« »Im Vampire Quarterly.« »Nie gehört.« Ich zuckte die Achseln. »Ich habe übernatürliche Biologie studiert, mit solchem Zeugs hatte ich ständig zu tun.« Mir kam ein sehr unerfreulicher Gedanke. »Dolph.« »Ja.«
»Der Mann, das erste Opfer, es ist seine dritte Nacht.« »Er hat aber nicht im Dunkeln geleuchtet«, sagte Dolph. »Die tote Frau hat auch nicht so ausgesehen, ehe es ganz dunkel war.« »Sie meinen, er erhebt sich heute Nacht?«, fragte er. Ich nickte.
»Scheiße.« »Sie sagen es.« Er schüttelte den Kopf. »Moment mal. Er kann uns doch sagen, wer ihn umgebracht hat.« »Er wird kein gewöhnlicher Vampir sein«, sagte ich. »Er ist an etlichen Wunden gestorben, Dolph. Er wird mehr Tier als Mensch sein.«
»Erklären Sie das.« »Wenn sie die Leiche ins St. Louis Hospital gebracht haben, dann befindet er sich hinter dickem Stahl. Wenn sie aber auf mich gehört haben, liegt er in einem gewöhnlichen Leichenschauhaus. Rufen Sie im Leichenschauhaus an und lassen Sie das Gebäude evakuieren.«
»Und das meinen Sie ernst.« »Vollkommen.« Er wandte nicht das Geringste ein. Ich war der Experte fürs Übernatürliche, und was ich sagte, war die Wahrheit bis zum Beweis des Gegenteils. Dolph fragte keinen nach seiner Meinung, wenn er nicht bereit war, sich danach zu richten. Er war ein guter Vorgesetzter.
Er glitt in seinen Wagen, natürlich der nächste am
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