Anita Blake 04 - Giergige Schatten
weich und einladend. Die Kerzen waren verschwunden. Ebenso die Schürze. Er stand in dem Durchgang zwischen Küche und Wohnzimmer. Er hielt die Arme vor der Brust verschränkt und lehnte mit der Schulter am Türrahmen. Er lächelte. Er sah so appetitlich aus. Ich wollte umkehren und mich umziehen, tat es aber nicht.
»Es tut mir Leid«, sagte er. »Was?« »Ich bin nicht ganz sicher, aber wahrscheinlich dass ich angenommen habe, ich könnte einfach deine Küche übernehmen.« »Ich glaube, das ist das erste Essen, das hier je gekocht wurde.«
Sein Lächeln wurde breiter, und er löste sich vom Türrahmen. Er kam auf mich zu. Er bewegte sich voll strömender Kraft. Das war nicht diese unmenschliche Energie, sondern nur er selbst. Oder? Vielleicht stammte ein Großteil seiner Dynamik von seinem Tier.
Dann stand er vor mir und schaute auf mich herab, dicht genug, um mich zu berühren, aber das ließ er bleiben. »Ich bin beim Warten fast verrückt geworden. Dann dachte ich, ich könnte ein Abendessen kochen. Es war dumm. Du musst es nicht essen, aber es hat mich davon abgehalten, zum Guilty Pleasures zu rennen und deine Ehre zu verteidigen.«
Ich musste lächeln. »Verdammter Mist, bei dir kann ich nicht einmal schmollen. Du quatschst mich jedes Mal wieder in gute Laune.« » Und das ist schlimm?« Ich lachte. »Ja. Ich genieße meine miese Stimmung, vielen Dank.«
Er tastete mit den Fingern meine Schultern entlang und knete die Muskeln in meinen Oberarmen. Ich rückte von ihm ab. »Bitte, nicht.« Und schon war die behagliche Atmosphäre ruiniert. Allein meine Schuld.
Er nahm die Hände fort. »Tut mir Leid.« Ich glaubte nicht, dass er das Essen meinte. Er tat einen tiefen Atemzug und nickte. »Du brauchst keinen Bissen zu essen.« Offenbar wollten wir jetzt beide so tun, als ginge es um das Abendessen. Sollte mir recht sein.
»Wenn ich sagen würde, dass ich überhaupt keinen Hunger habe, wärst du dann böse auf mich?« »Ich habe es gekocht, damit es mir besser ging. Wenn du es nicht magst, iss es nicht.« »Ich werde eine Tasse Kaffee trinken und dir beim Essen zusehen.« Er lächelte. »Abgemacht.«
Er blieb vor mir stehen und sah mich an. Er wirkte traurig. Verloren. Wenn man jemanden liebt, sollte man ihn nicht unglücklich machen. Das ist irgendwie eine Regel, oder sollte eine sein.
»Du hast dir die Haare gekämmt.« »Sie gefallen dir doch lose.« »Genau wie mein Lieblingspullover hier«, sagte ich. »Das ist dein Lieblingspullover?«, fragte er mit einem neckenden Unterton. Ich konnte die Leichtigkeit zurückhaben. Wir konnten einen netten, entspannten Abend haben. Es lag ganz bei mir.
Ich sah in seine großen braunen Augen und wollte es.
Aber ich konnte ihn nicht anlügen. Das wäre schlimmer als grausam. »Er ist schrecklich.« »Ich weiß. Tut mir Leid.« »Hör auf, dich zu entschuldigen. Es liegt nicht an dir. Es liegt an mir.« Er schüttelte den Kopf. »Du kannst nichts dafür, wie ich mich fühle.«
»Mein erster Impuls ist Schluss machen und weglaufen, Richard. Dich nicht mehr wiedersehen. Keine langen Gespräche mehr. Keine Zärtlichkeiten. Nichts.« »Wenn es das ist, was du willst.« Er klang irgendwie erstickt, als würde es ihn eine Menge kosten, es auszusprechen.
»Was ich will, bist du. Ich weiß nur einfach nicht, ob ich mit allem von dir klarkomme.« »Ich hätte dich nicht fragen dürfen, ehe du nicht gesehen hast, was ich wirklich bin.« »Ich habe Marcus und seine Horde gesehen.« »Das ist nicht dasselbe, wie zuzusehen, wie ich vor dir zum Biest werde, oder?«
Ich holte tief Luft und atmete langsam aus. »Ja«, antwortete ich, »das stimmt.«
»Wenn du jemand anderen hast, den du anrufen kannst, damit er heute Nacht mit dir aufbleibt, werde ich gehen. Du hast gesagt, du brauchst Zeit, und ich bin praktisch eingezogen. Ich mache Druck.«
»Ja, das tust du.« »Ich habe Angst, dich zu verlieren«, sagte er. »Druck wird nicht helfen«, warnte ich. »Ja, vermutlich.«
Ich blickte ihn an. Die Wohnung war dunkel. Das einzige Licht kam aus der Küche. Es hätte sehr intim sein können, sein sollen. Ich erzählte jedem, dass Lykanthropie eine Krankheit war. Lykanthropen zu diskriminieren war ungesetzlich und unmoralisch. Ich selbst war mit keiner Faser voreingenommen, so dachte ich von mir. Als ich Richards schönes Gesicht sah, wusste ich, dass das nicht stimmte. Ich war voreingenommen. Voreingenommen gegen Monster. Oh, für eine Freundschaft waren sie gut genug, aber meine
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