Anita Blake 04 - Giergige Schatten
ihn?«
Die Unterhaltung wurde zum Déjà-vu. »Auf eine dunkle, verdrehte Art, ja. Aber nicht so, wie ich dich liebe.« »Worin besteht der Unterschied?« »Dieselbe Unterhaltung hatte ich gerade mit Jean-Claude. Ich liebe dich. Kannst du dir vorstellen, dass ich mit dem Meister der Stadt einen Hausstand gründe?«
»Kannst du dir vorstellen, mit einem Leitwolf einen Hausstand zu gründen?«
Scheiße. Ich sah ihn über den Tisch hinweg an und seufzte. Er machte Druck, aber ich nahm es ihm nicht übel. Ich an seiner Stelle hätte mich fallen lassen. Wenn ich ihn nicht genug liebte, um alles an ihm zu akzeptieren, was sollte er dann mit mir anfangen? Ich wollte nicht, dass er mich fallen ließ. Ich wollte mich nicht entscheiden müssen und ihn trotzdem nicht verlieren. Wie war das noch mit dem Einbrocken und Auslöffeln?
Ich beugte mich über den Tisch und hielt ihm meine Hand hin. Nach kurzem Zögern nahm er sie. »Ich will dich nicht verlieren.« »Du wirst mich nicht verlieren.« »Du bist viel toleranter, als ich es wäre.« Er lächelte nicht. »Das weiß ich.«
Ich hätte gern widersprochen, aber wahr ist wahr. »Ich wäre es gern, wenn ich könnte.« »Ich verstehe, dass du Vorbehalte hast, einen Werwolf zu heiraten. Wer hätte die nicht? Aber Jean-Claude ...« Er schüttelte den Kopf.
Ich drückte seine Hand. »Komm, Richard. Das ist das Beste, was wir jetzt tun können. Jean-Claude wird nicht versuchen, einen von uns zu töten. Wir werden uns trotzdem noch verabreden und sehen.«
»Es gefällt mir nicht, dass du gezwungen bist, mit ihm auszugehen.« Er rieb mir zärtlich die Fingerknöchel. »Es gefällt mir noch weniger, wenn ich daran denke, dass du genießen könntest. In einem kleinen, dunklen Teil deines Ichs wirst du dich gut amüsieren.«
Ich wollte es abstreiten, aber das wäre eine komplette Lüge gewesen. »Du kannst es riechen, wenn ich lüge?« »Ja,« »Dann ist es faszinierend und beängstigend.«
»Ich will, dass dir nichts geschieht, darum stört mich das >Beängstigend<, aber das >Faszinierend< stört mich noch mehr.« »Eifersüchtig?« »Besorgt.« Was sollte ich sagen? Es ging mir genauso.
28
Das Telefon klingelte. Ich griff danach und fand nichts. Ich hob den Kopf, und der Nachttisch war leer. Das Telefon war weg. Es hatte auch aufgehört zu klingeln. Der Radiowecker war noch da, rot leuchtend. 1:03 stand darauf Ich blieb auf den Ellbogen gestützt und blinzelte auf den leeren Platz. Träumte ich? Warum sollte ich träumen, dass jemand mein Telefon gestohlen hatte?
Die Schlafzimmertür wurde geöffnet. Richard stand da, von hinten angestrahlt. Aha. Jetzt fiel es mir ein. Er hatte den Apparat ins Wohnzimmer gestellt, damit er mich nicht weckte. Da Richard mich stündlich wecken sollte, hatte ich ihn nicht daran gehindert. Wenn man immer nur eine Stunde am Stück schläft, kann einen selbst ein kurzes Telefonklingeln völlig durcheinander bringen.
»Wer ist es?« »Sergeant Rudolph Storr. Ich habe ihn gebeten zu warten, bis ich dich sowieso wecken muss, aber er war ziemlich hartnäckig.« Das konnte ich mir vorstellen. »Ist in Ordnung.« »An den fünfzehn Minuten wäre er nicht gestorben, oder?«, meinte Richard.
Ich schwang die Beine unter der Decke hervor. »Dolph steckt mitten in einer Morduntersuchung, Richard. Da ist Geduld nicht seine Stärke.«
Richard stand mit verschränkten Armen in den Türrahmen gelehnt. Das Licht aus dem Wohnzimmer legte tiefe Schatten über sein Gesicht. Die Schatten schnitten große eckige Formen auf seinen orangen Pullover. Er strahlte Unwillen aus. Ich musste lächeln. Ich klopfte ihm auf der, Arm, als ich an ihm vorbeiging. Ich schien mir einen Wachwolf eingehandelt zu haben.
Das Telefon stand neben der Wohnungstür, wo die zweite Anschlussbuchse war. Ich setzte mich auf den Fußboden und nahm den Hörer auf. »Dolph, ich bin's. Was gibt's?« »Wer ist dieser Richard Zeeman, der da mitten in der Nacht an Ihr Telefon geht?« Ich schloss die Augen. Mir tat der Kopf weh. Mir tat das Gesicht weh. Ich hatte wirklich noch nicht viel Schlaf gehabt. »Sie sind nicht mein Vater, Dolph. Was ist los?«
Kurzes Schweigen. »Sind wir etwa abweisend?« »Ja, wollen Sie's aufbauschen?« »Nein«, sagte er.
»Rufen Sie an, weil Sie das Neuste aus meinem Privatleben hören wollen, oder gibt es einen Grund, dass Sie mich wecken?« Mir war klar, dass es keinen neuen Mord gab, dafür war er zu gut gelaunt. Das warf die Frage auf, ob der Anruf nicht ein
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