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Anita Blake 04 - Giergige Schatten

Anita Blake 04 - Giergige Schatten

Titel: Anita Blake 04 - Giergige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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»Du willst ihn küssen.« Er klang nicht erfreut.
    Was sollte ich sagen? »Was ich jetzt am meisten möchte, ist ins Bett gehen, allein. Ich will schlafen.« Das zumindest war die Wahrheit. Vielleicht nicht die ganze Wahrheit, aber genug, um sich ein ratloses Stirnrunzeln von Richard und ein erbostes Schnauben von Jean-Claude einzuhandeln.
    »Nun, wenn das eine so unangenehme Pflicht ist, wollen wir es rasch erledigen«, sagte Jean-Claude.
    Wir standen schon so dicht voreinander, er brauchte keinen Schritt mehr zu tun, um sich an mich zu drücken. Ich hob die Hände, um für einen Rest Abstand zu sorgen, fasste auf seine nackte Haut und zuckte vor ihm zurück. Ich krümmte die Finger zusammen, das Gefühl seiner Haut schien haften zu bleiben.
    »Was ist los, ma petite?«
    »Lass sie in Ruhe«, sagte Richard. Er stand neben der Couch mit locker geballten Fäusten. Mir kribbelte die Haut. Seine Macht strich darüber wie ein langsamer Wind. Ihm fielen die Haare ins Gesicht, er schaute wie durch einen Vorhang. Sein Gesicht lag im Schatten. Das Licht leuchtete entlang seiner nackten Haut, schattierte sie in Grau, Gold und Schwarz. Er sah plötzlich wild aus. Ein tiefes, haarsträubendes Knurren zog durch das Zimmer.
    »Hör auf, Richard.«
    »Er setzt seine Macht gegen dich ein.« Seine Stimme war nicht wiederzuerkennen. Ein tiefes Knurren, nicht im Entferntesten menschlich. Ich war froh über den Schatten auf seinem Gesicht. Froh, dass ich nicht erkennen konnte, was sich dort abspielte.
    Ich hatte solche Angst gehabt, Jean-Claude könnte einen Kampf beginnen, dass mir Richard als Angreifer gar nicht in den Sinn gekommen war. »Er gebraucht seine Macht nicht. Ich habe nur seine Haut berührt. Das ist alles.«
    Richard trat ins Licht, und sein Gesicht war normal. Was ging hinter dieser glatten Brust, hinter diesen begehrenswerten Lippen vor, dass seine Stimme so monströs klang?
    »Zieh dich an und verschwinde.«
    »Was?« Seine Lippen formten das Wort, aber heraus kam dieses Knurren. Als sähe man einen schlecht synchronisierten Film.
    »Wenn Jean-Claude dich nicht angreifen darf, dann darfst du es umgekehrt ganz bestimmt auch nicht. Ich dachte, er ist das einzige Monster, mit dem ich fertig werden muss. Wenn du dich nicht wie ein menschliches Wesen benehmen kannst, Richard, dann verschwinde.«
    »Was wird aus meinem Kuss, ma petite?« »Ihr habt es beide bis an die Grenze ausgereizt«, sagte ich. »Alle beide raus.«
     
    Jean-Claudes Lachen dröhnte durch das dämmrige Zimmer, »Wie Sie möchten, Anita Blake. Ich bin auf einmal gar nicht mehr so besorgt über Sie und Monsieur Zemann. » »Wenn Sie jetzt anfangen, sich zu beglückwünschen Jean--Claude, dann mache ich meine Einladung rückgängig. »
     
    Es gab einen tiefen, hallenden Knall. Ein Tosen füllte den Raum. Die Tür schlug gegen die Wand. Wind brauste herein wie ein unsichtbarer Strom, zerrte an unseren Kleidern und wehte uns die Haare ins Gesicht.
    »Das müssen Sie nicht tun. » , sagte Jean-Claude. »Doch, das muss ich«, erwiderte ich. Es war als ob ihn eine unsichtbare Hand zur Tür hinausschob und sie hinter ihm ins Schloss warf.
    »Es tut mir Leid », sagte Richard. Das Knurren legte sich. Er klang fast wieder normal.
    »Der Vollmond ist zu nah, als dass man so wütend werden darf. » »Ich will nichts davon hören«, antwortete ich. »Geh einfach.« »Anita, es tut mir leid. Gewöhnlich verliere ich nicht so einfach die Beherrschung. Nicht einmal so l kurz vor Vollmond.«
    »Was war heute anders?« »Ich war noch nie verliebt. Es scheint meine Konzentration zu stören.« »Das liegt an der Eifersucht«, sagte ich. »Sag mir, dass ich keinen Grund habe, eifersüchtig zu sein.«
    Ich seufzte. »Geh, Richard. Ich muss noch meine Pistolen und Messer reinigen, ehe ich schlafen-gehen kann.«
    Er lächelte und schüttelte den Kopf. » Die heutige Nacht hat deine Bedenken wohl nicht gerade ausgeräumt. » Er ging um die Couch herum und bückte sich nach seinem Pullover, der ordentlich gefaltet auf dem Boden lag. Er zog ihn über den Kopf, holte ein Gummiband aus der Hosentasche und band sich die Haare zusammen.
    Ich konnte die Armmuskeln arbeiten sehen, selbst durch die Pulloverärmel. Er streifte die Schuhe über und bückte sich, um sie zuzuschnüren. Sein Mantel reichte ihm bis an die Knöchel. Im Dämmerlicht sah er aus wie ein Umhang.
    »Ich bekomme wohl auch keinen Kuss.« »Gute Nacht, Richard«, sagte ich. Er holte tief Luft und atmete langsam aus.

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