Anita Blake 05 - Bleich Stille
zu der satten, honigtriefenden Stimme hin. Jean-Claude klang besser denn je, oder schlimmer, denn jedes Wort rieb mir wie ein Pelz über den müden Leib. Seine Stimme reichte aus, um alle Wehwehchen einzuhüllen. Er konnte machen, dass sie weggingen. Da war ich mir ganz sicher.
Ich schluckte und ließ die Waffe sinken. »Halten Sie sich gefälligst aus meinem Kopf raus.«
»Vergebung, ma petite. Ich kann Sie auf der Zunge schmecken, Ihren rasenden Herzschlag fühlen wie eine kostbare Erinnerung. Ich werde meine Begeisterung zügeln, aber mit Mühe, Anita, mit großer Mühe.« Er hörte sich an, als hätte ich ihm ein klein bisschen Sex gewährt, und jetzt wollte er mehr.
Ich warf einen Blick hinüber. Er saß neben dem halb nackten Jason. Jason starrte mit schweren Lidern an die Decke, als döste er vor sich hin. Aus den frischen Einstichen am Hals tröpfelte Blut. Er sah nicht aus, als hätte es sehr wehgetan. Eigentlich eher, als wäre es schön gewesen. Ich hatte Jean-Claudes größte Not gelindert, so hatte Jason eine sanftere Fahrt gehabt. Der Glückspilz.
»Können wir miteinander reden?« Eine Männerstimme erklang vom Flur her. Ich konnte sie nicht einordnen. Mann, ich konnte nicht einmal richtig scharf sehen, geschweige denn erkennen, wem die geisterhafte Stimme gehörte.
»Anita, was soll ich tun?«, wollte Larry von mir wissen.
»Das ist die Friedensfahne«, sagte ich. Es klang verwischt, wenn auch einigermaßen verständlich. Ich fühlte mich wie betrunken oder bekifft. Es war ein übler Rausch, ein gefährliches Beruhigungsmittel.
In der Tür erschien Magnus. Für eine Sekunde glaubte ich an eine Halluzination. Er kam so verdammt unerwartet. Er war ganz in Weiß gekleidet, vom Smoking bis zu den Schuhen. Auf seiner dunklen Haut schien der Stoff zu leuchten. Seine langen Haare waren mit einem weißen Band zurückgebunden. In einer Hand hielt er Stock und Handschuhe. Er kam graziös, fast tänzerisch die Treppe herunter. Nicht ganz das Dahingleiten eines Vampirs, aber fast.
Larry hielt die Pistole auf ihn gerichtet. »Bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte er. Er klang ein bisschen ängstlich, aber durchaus, als meinte er es ernst. Der Lauf zielte ordentlich und ohne zu schwanken.
»Wir sprachen schon darüber, dass Silberkugeln bei Elfen nicht wirken.« »Wer sagt denn, dass hier Silberkugeln drin sind?«, erwiderte Larry.
Eine gute Lüge. Ich war stolz auf ihn. Mir wäre das nicht eingefallen, dazu war ich sicherlich zu daneben.
»Anita?« Magnus sah an Larry vorbei, als wäre der gar nicht vorhanden, aber er stieg auch nicht die letzten Stufen hinab. »Ich würde tun, was er sagt, Magnus. Aber was wollen Sie?«
Magnus lächelte und breitete die Arme aus. Um zu zeigen, dass er unbewaffnet war, schätze ich. Aber ich wusste, und Larry wusste es auch, dass er trotzdem gefährlich war. »Ich will Ihnen gar nichts tun. Wir wissen, dass Ivy die Waffenruhe gebrochen hat. Serephina bittet vielmals um Verzeihung. Sie bittet Sie, direkt in ihr Besucherzimmer zu kommen. Ohne weitere Tests. Wir sind zu unserem hohen Gast alle fürchterlich grob gewesen.«
»Glauben wir ihm?«, fragte ich unbestimmt in die Runde. »Er spricht die Wahrheit«, sagte Jean-Claude. Großartig. »Lassen Sie ihn durch, Larry.« »Sind Sie sicher, dass das eine gute Idee ist?« »Nein, aber tun Sie es trotzdem.«
Larry senkte die Waffe, sah damit aber nicht glücklich aus. Magnus kam die Treppe herunter und lächelte, hauptsächlich zu Larry. Er ging an ihm vorbei und machte ein Getue daraus, ihm den Rücken zuzudrehen. Fast wünschte ich mir deshalb, Larry würde auf ihn schießen.
Er blieb ein paar Schritte vor uns stehen. Wir befanden uns noch alle irgendwie am Boden, sitzend oder liegend. Magnus blickte auf uns herab, belustigt oder nachdenklich.
»Was zum Teufel tun Sie hier?«, fragte ich. Jean-Claude sah mich an. »Sie scheinen sich zu kennen.« »Das ist Magnus Bouvier«, sagte ich. »Was tun Sie hier 'bei denen?«
Magnus löste die Krawatte und spreizte den steifen Hemdstoff. Ich war ziemlich sicher, dass er mir etwas zeigen wollte, aber vom Boden aus konnte ich nichts sehen. Dagegen war ich überhaupt nicht sicher, ob ich stehen konnte, ohne umzufallen. »Wenn Sie mir Einblick verschaffen wollen, müssen Sie sich zu mir herab bequemen.«
»Mit Vergnügen.« Er kniete sich einen halben Meter vor mir hin. Er hatte zwei verheilende Bissmale am Hals.
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