Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anita Blake 05 - Bleich Stille

Anita Blake 05 - Bleich Stille

Titel: Anita Blake 05 - Bleich Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
Vom Netzwerk:
bestrafen.«
     
    »Nein danke«, sagte ich. Es klang zittrig. Das passte zu dem Tumult in meinen Eingeweiden. Sie hatte mir noch gar nichts getan, außer dass sie mich anfasste, aber Berührung verstärkte jede Macht. Wenn sie jetzt in meinen Verstand eindrang, war ich geliefert.
     
    »Ivy hätte aus deinen Schmerzen sehr viel Lust gezogen, Totenbeschwörerin.«
     
    »Das ist ihre Sache, nicht meine.« Ich gab mir alle Mühe, auf den seidigen Stoff von Serephinas Kleid zu starren. Ich hatte den schrecklichen Drang, aufzublicken und ihr in die Augen zu sehen. Dabei war vielleicht gar nicht ihre Macht die Ursache, sondern eher meine eigenen inneren Zwänge. Es fällt schwer, den Harten zu spielen, wenn man jemandem nicht ins Gesicht sieht und dazu noch an der Hand geführt wird wie ein Kind.
     
    Ivy lag am Boden, halb auf die Arme gestützt. Ihr hübsches Gesicht bestand nur noch aus Schnittwunden. An einer Wange glänzte der Knochen im Kerzenschein. Am rechten Arm sah man blutige Muskeln zucken.
     
    Sie blickte mich von unten herauf an. Hinter den Schmerzen glühte ein Hass, mit dem man ein Streichholz anzünden konnte. Ihr Zorn wogte mächtig.
     
    Serephina kniete sich zu ihr, zog mich mit herab. Ich sah mich nach Jean-Claude um Janos drückte ihm seine weiche Spinnenhand an die Brust. Larry formte mit den Lippe das Wort Pistole. Ich schüttelte den Kopf. Sie hatte mir noch nichts getan. Noch nicht.
     
    Die Hand riss mich so heftig am Arm herum, dass ich den Kopf drehen und ihr ins Gesicht sehen musste. Plötzlich standen wir uns Auge in Auge gegenüber. Grauenhaft. Doch was ich dann sah, erschreckte mich überhaupt nicht. Ihre Augen, von denen ich geschworen hätte, dass sie ganz hell waren, hatten ein tiefes Braun. Wie meine Mutter.
     
    Ich glaube, sie hielt das für tröstlich oder verführerisch. War es aber nicht. Mir wurde kalt vor Angst. »Hören Sie auf.« »Du willst nicht, dass ich aufhöre«, widersprach sie.
     
    Ich versuchte, ihr meinen Arm zu entwinden. Ich hätte ebenso gut versuchen können, die Sonne in einen anderen Teil des Himmels zu schieben. »Sie können mir nicht mehr bieten als den Tod. Meine tote Mutter in Ihren toten Augen.« Ich blickte in diese braunen Augen, die ich diesseits des Himmels nicht zu sehen erwartet hatte. Ich brüllte die Augen meiner Mutter an, weil ich nicht wegsehen konnte. Serephina ließ mich nicht, und ich konnte mich nicht dagegen wehren, nicht solange sie mich anfasste.
     
    »Sie sind eine wandelnde Leiche, und alles andere ist gelogen.« »Ich bin nicht tot, Anita.« Die Stimme meiner Mutter hallte in mir wider. Serephina hob die andere Hand, wie um mir über die Wange zu streicheln.
     
    Ich wollte die Augen schließen, wollte wegsehen. Es ging nicht. Eine seltsame Lähmung erfasste mich, sie glich dem Gefühl, das man kurz vor dem Einschlafen hat, wenn man sich tausend Pfund schwer fühlt und meint, dass jede Bewegung unmöglich ist.
     
    Diese Hand griff nach mir. Sie kam in Zeitlupe, und ich wusste, wenn sie mich berührte, würde ich ihr in die Arme sinken. Ich würde mich an sie klammern und weinen. Das Gesicht meiner Mutter, wie ich es zum letzten Mal gesehen hatte, kam mir ins Gedächtnis. Der Sarg war aus dunklem Holz gewesen und trug eine Decke aus rosa Il, sen. Ich wusste, dass Mami da drin lag, aber sie wollten sie mich nicht ansehen lassen. Niemand durfte das. Der Sarg sei schon zu, hieß es. Sämtliche Erwachsenen in meiner Umgebung hatten Weinkrämpfe. Das Zimmer bestand nur aus Jammern und Schluchzen. Mein Vater brach zusammen. Er war mir keine Hilfe. Ich wollte meine Mutter. Die Schnallen am Sarg waren silbern. Ich öffnete sie und hörte hinter mir einen Schrei. Mir blieb nicht viel Zeit. Der Deckel war schwer, aber ich stemmte ihn ein Stückchen hoch. Ich sah nur weißen Satin und Dunkelheit. Mit jedem Quäntchen meiner Kraft stemmte ich die Arme bis über den Kopf und , erhielt einen flüchtigen Blick auf etwas.
     
    Meine Tante Mattie riss mich zurück. Der Deckel knallte zu, sie ließ die Schnallen einschnappen und zog mich weg. Ich wehrte mich nicht. Ich hatte genug gesehen. Es war wie eines dieser Bilder, wo man weiß, dass da etwas zu sehen ist, aber man versteht es nicht. Ich brauchte Jahre, um es zu verstehen. Was ich gesehen hatte, war nicht meine Mutter. Konnte nicht meine schöne Mutter sein. Es war eine Hülse gewesen, etwas, das zurückblieb. Etwas, das man in einer dunklen Kiste versteckte und verwesen ließ.
     
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher