Anita Blake 05 - Bleich Stille
erkennen?« »Wovon reden Sie?« Er klang argwöhnisch. Vermutete er vielleicht, ich sei nicht ganz richtig im Kopf.
Ich hätte sie erkennen können, aber die meisten Leute verfügen nicht über mein Sehvermögen. »Geben Sie mir Ihre Hand.« »Warum?« »Ich mache Ihnen ein einmaliges Angebot. Geben Sie mir einfach Ihre verdammte Hand.«
Er tat es, ein bisschen zögerlich, während er zu den wartenden Leuten zurückschaute.
Seine Hand fühlte sich kalt an. Er war ein verängstigter Welpe. Ich führte seine großen, derben Finger an meinem Schlüsselbein entlang. In dem Moment, wo er das Narbengewebe berührte, zuckte er, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. Ich ließ ihn los, und er spürte der Narbe allein nach.
Er zog die Hand aus meiner Bluse, ganz langsam, rieb sich die Finger, als müsste er das Gefühl daraus vertreiben. »Wer hat das getan?« »Genauso einer wie bei Ihrem Hals. Ein Vampir, der mit seinem Essen nicht ordentlich umging.«
»Großer Gott«, sagte er. »Ja«, sagte ich. Ich knöpfte mir die Bluse zu. »Erzählen Sie mir, was passiert ist, Wallace. Bitte.«
Er sah mich noch einen Moment lang an, dann nickte e1 »Mein Partner Harry und ich bekamen eine Meldung, dass jemand eine Leiche mit zerrissener Kehle gefunden hatte. » Er sagte das alles sehr kühl, ganz normal, aber ich wusste er sah alles wieder vor sich, ließ in seinem Kopf alles noch einmal geschehen.
»Es war auf einer Baustelle. Nur wir mit unseren T2ischcnlampen mitten auf dem Platz. Es gab ein Geräusch, als würde der Wind pfeifen, und Harry wurde von etwas getroffen. Er ging mit einem Mann auf sich zu Boden. Er schrie, und ich hatte die Waffe gezogen. Ich schoss dem Kerl in den Rücken. Ich habe ihn drei-, viermal gründlich getroffen. Er drehte sich zu mir um, und sein Gesicht war voller Blut. Ich hatte nicht die Zeit, mich zu wundern, weil er mich ansprang. Ich habe das ganze Magazin auf ihn abgeschossen, bevor ich auf dem Boden landete.«
Er holte tief Luft, die großen Hände schraubten sich an der Stablampe entlang. Er schaute auch in die Bäume, aber nicht wegen des Vampirs oder zumindest nicht wegen dem, der dort irgendwo war.
»Er riss mir Jacke und Hemd auf, als wär's nur Papier. Ich versuchte, mich zu wehren, aber ...« Er schüttelte den Kopf. »Er fing mich mit den Augen. Er fing mich mit den Augen, und als er mir in den Hals biss, wollte ich, dass er's tut, mehr als alles andere in meinem Leben wollte ich, dass er's tut.«
Er wandte sich ein wenig ab, als reichte es nicht, nur meinem Blick nicht zu begegnen. »Als ich zu mir kam, war er weg. Harry war tot. Das Mädchen war tot. Ich war am leben.«
Schließlich drehte er sich zu mir um, sah mir direkt in dir Augen und sagte: »Warum hat er mich nicht umgebracht. Ms Blake?«
Ich sah in seine ernsten Augen und hatte keine gute Antwort. »Ich weiß es nicht, Wallace. Vielleicht wollte er Sie zu einem der Ihren machen. Ich weiß nicht, warum Sie und nicht Harry. Haben Sie ihn später geschnappt?«
»Der hiesige Meister hat eine Kiste mit seinem Kopf zur Wache geschickt. In dem Begleitschreiben entschuldigte er ich für dessen unzivilisiertes Benehmen. Das war es, was da draufstand: unzivilisiertes Benehmen.«
»Wenn man sich von Menschen ernährt, fällt es schwer, das als Mord zu betrachten.« »Tun sie das alle? Sich von Leuten ernähren?« »Ich kenne keinen, der es nicht tut.« »Können sie keine Tiere nehmen?«
»Theoretisch ja. Praktisch scheinen ihnen dann aber gewisse Nährstoffe zu fehlen.« Die Wahrheit war, dass das Saugen für die meisten Vampire wie Sex war. Sie standen nicht auf Sodomie, also machten sie es mit Tieren nicht. Ich glaubte nicht, dass der Sexvergleich bei Officer Wallace so gut ankäme.
»Bringen Sie es fertig, Wallace?« »Was meinen Sie?« »Können Sie raus in die Dunkelheit gehen und Vampirejagen?« »Das ist meine Pflicht.«
»Ich habe Sie nicht gefragt, was Ihre Pflicht ist. Ich habe gefragt, ob Sie da in die Dunkelheit gehen und Vampire jagen können.« »Glauben Sie, dass da mehr als einer ist?« »Es ist immer besser, das anzunehmen«, sagte ich. Er nickte. »Ja, schätze ich auch.«
»Angst?«, fragte ich. »Und Sie?«
Ich sah in die windgepeitschte Nacht. Die Bäume schüttelten sich und ächzten. Überall war Bewegung. Bald würde es regnen, und das bisschen Licht von den Sternen wäre verschwunden.
»Ja, ich habe
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