Anita Blake 05 - Bleich Stille
glatte Mittelscheitelfrisur umrahmte ein blutverschmiertes Gesicht mit weit zurückgezogenen Lippen und entblößten Reißzähnen.
Hinter ihnen war ein bisschen von Beth St. John zu sehen. Sie regte sich nicht.
St. John feuerte ohne Unterlass auf die Vampirfrau. Sie bewegte sich weiter auf ihn zu. Auf ihrer Jeansjacke sprossen die Blutflecke. Seine Waffe machte klick. Der Vampir taumelte, brach in die Knie, dann auf alle viere, und man sah, dass ihr Rücken nur noch rohes Fleisch war. Sie lag keuchend da, während St. John nachlud.
Ich sprang vor, während ich die Tür im Auge behielt, für den Fall, dass es noch nicht vorbei war. Ich bewegte mich auf die Quinlans und dieses Wesen zu, das vor ihnen stand. Ich brauchte einen besseren Winkel zum Schießen. Wollte sie nicht im Schussfeld festsitzen haben.
Das Wesen drehte sich zu mir um. Ich blickte kurz in ein Gesicht, das weder einem Menschen noch einem Tier gehörte, sondern fremdartig lang gestreckt war, Fangzähne und blinde glühende Augen hatte. Es schrumpfte zusammen, während sich über nacktes Fleisch und nahezu blanke Knochen eine Haut schob. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Bis ich die Flinte angelegt hatte, sah ich in ein recht menschlich wirkendes Gesicht. Lange weiße Haare umrahmten fein geschnittene Züge, und das Wesen rannte - sofern man diese verwischte Bewegung so nennen konnte. Es rannte, wie andere seiner Art flogen, so als täte es etwas ganz anderes, nur dass ich kein besseres Wort dafür hatte. Manche flogen, dieses rannte eben. Es war weg, ehe ich abdrücken konnte.
Da stand ich und starrte auf die offene Tür, wohin der Pistolenlauf dem Flüchtenden gefolgt war. Hätte ich schießen können? Hatte ich gezögert? Ich glaubte es nicht, war aber auch nicht sicher. Es war wie im Wald gewesen, als Coltrain starb, als ob mir ein paar Sekunden fehlten. Dieser Vampir musste unser Mörder sein, doch das Einzige, was ich im Wald deutlich gesehen hatte, war eine Klinge.
St. John schoss auf den ausgestreckten Vampir. Er feuerte, bis seine Waffe leer war. Sie machte klick, klick, klick.
Ich ging zu ihm rüber. Der Kopf des Vampirs war ein bIutiger Brei. Das Gesicht war nicht mehr da. »Sie ist tot, St. John. Sie haben sie getötet.«
Er starrte nur am Lauf entlang. Er zitterte. Plötzlich knickte er ein, als ob ihm die Beine versagten. Er kroch zu seiner Frau hinüber, ließ die Waffe auf dem Teppich liegen. Er hob sie ein wenig hoch, nahm sie in die Arme und wiegte sie. Sie war blutüberströmt. Ihr Hals war auf einer Seite ganz zerfetzt.
St. John produzierte tief in der Kehle einen hohen, durchdringenden Ton.
Die Kreuze der Quinlans hatten aufgehört zu glühen. Das Ehepaar hielt sich aneinander fest und blinzelte wie vom Licht geblendet.
»Jeff - er hat Jeff mitgenommen«, sagte Mrs Quinlan. Ich sah sie an. Ihre Augen waren viel zu groß. »Er hat Jeff mitgenommen.« »Wer?«, fragte ich. »Dieser Große, dieses Wesen«, sagte Mr Quinlan. »Es hat Jeff befohlen, sein Kreuz abzulegen, und Jeff hat es getan.« Er sah mich ratlos an. »Warum hat er das getan? Warum hat er es abgelegt?«
»Der Vampir hat ihn mit den Augen gebannt«, sagte ich. »Der Junge konnte nicht anders.« »Wäre sein Glaube stärker gewesen, er hätte nicht nachgegeben«, sagte Quinlan. »Er konnte nichts dafür.« Quinlan schüttelte den Kopf. »Er war nicht stark genug.«
Ich wandte mich ab, und mein Blick fiel auf St. John. Er hatte von seiner toten Frau so viel wie möglich in die Arme und den Schoß gedrückt. Er schaukelte sie sacht, den Blick in die Ferne gerichtet. Er sah das Zimmer nicht. Er war tief in sich gekehrt. Wo es einen glücklicheren Ort gab. Hoffentlich.
Ich ging zur Tür. Ich musste das nicht mit ansehen. St. John zusehen, wie er den Leichnam seiner Frau schaukelte, das stand nicht in meiner Stellenbeschreibung. Ehrlich.
Ich setzte mich auf die Treppe, wo ich die Tür im Auge hatte, den Flur und die Treppe bis zum Absatz. St John fing mit fremder, heiserer Stimme an zu singen. Ich brauchte ein paar Minuten, bis ich heraushatte, was er sang. Es war »You e so beautiful«. Ich stand auf und ging zur Haustür. Larry und Wallace humpelten gerade die Veranda hinauf
Ich schüttelte nur den Kopf und ging weiter. Ich musste Ich musste fast bis zur Auffahrt laufen, ehe ich das Singen nicht mehr hörte. Dort blieb ich stehen, atmete tief und ruhig ein und aus. Ich konzentrierte
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