Anita Blake 05 - Bleich Stille
ihn im Hotel zurückzulassen, wenn ich mit dem Meister von Branson redete. Wenn ich Larry jetzt ansah, war ich gar nicht mehr so sicher, ob er sich das gefallen lassen würde. Er hatte an diesem Abend seinen ersten Vampirkampf erlebt. Bisher hatte ich ihn von der gröbsten Gewalt fern halten können. Doch das würde nicht immer so bleiben. Ich hatte gehofft, er würde den Plan, Vampire zu jagen, noch aufgeben. Jetzt sah ich in seine funkelnden Augen und begriff, dass ich es war, die sich etwas vormachte. Auf seine Weise war Larry ebenso stur wie ich. Ein beängstigender Gedanke. Aber für heute Nacht war er noch in Sicherheit.
»Sie können mich nicht einfach beruhigen? Mir sagen, dass wir ihn finden werden?«, bat Larry. Ich lächelte. »Ich versuche, Sie nicht zu belügen, wenn ich es vermeiden kann.« »Ausnahmsweise hätte ich gern die Lüge gehört«, sagte Larry. »Tut mir Leid«, sagte ich.
Er holte tief Luft und ließ sie langsam heraus. Sein Zorn war verflogen, einfach so. Larry wusste nicht, was es hieß, an seinem Zorn festzuhalten. Er brütete nicht. Einer der Hauptunterschiede zwischen uns. Ich verzieh nie etwas. Ganz bestimmt ein Charakterfehler, aber Mann, jeder muss wenigstens einen haben.
Es klopfte an der Tür. Larry ging hin.
Jean-Claude stand plötzlich neben mir. Ich hatte ihn nicht aufstehen sehen. Hatte seine Stiefel nicht über den Teppich gleiten hören. Nichts. Magie. Mir klopfte plötzlich das Herz im Hals.
»Stampfen Sie wenigstens mit den Füßen auf, wenn Sie so was tun.« »Wenn ich was tue, ma petite?« Ich sah verärgert zu ihm auf. »Das war keine Sinnestäuschung, oder?« »Nein«, sagte er. Das Wort kroch mir über die Haut wie kalte Zugluft.
»Zum Teufel mit Ihnen«, sagte ich leise und mit Gefühl. Er schmunzelte. »Das ist erledigt, ma petite, Sie kommen zu spät.«
Larry hatte die Tür wieder geschlossen. »Da steht ein Kerl auf dem Flur. Er sagt, er gehört zu Jean-Claude.« »Ein Kerl oder ein Vampir?«, fragte ich. Larry runzelte die Stirn. »Kein Vampir, aber wenn Sie meinen, ein Mensch, soweit würde ich nicht gehen.«
»Erwarten Sie jemanden?«, fragte ich Jean-Claude. »ja.« »Wen?«
Er schritt zur Tür und legte die Hand auf den Knauf. »Ich glaube, jemanden, den Sie kennen.« Er öffnete mit schwungvoller Gebärde die Tür, trat zur Seite und gab mir den Blick frei.
Jason stand auf dem Flur, ganz entspannt und lächelnd. Er war genauso groß wie ich, was man bei einem Mann selten antrifft. Sein glattes blondes Haar reichte nicht ganz bis auf den Kragen, seine Augen waren so unschuldig blau wie der Frühlingshimmel. Bei unserer letzten Begegnung hatte er versucht, mich zu fressen. Werwölfe tun das gelegentlich.
Er war mit einem zu großen schwarzen Pullover bekleidet, der ihm bis auf die Oberschenkel hing. Die Ärmel hatte er sich bis zu den Handgelenken aufkrempeln müssen. Die Hose war aus Leder und an den Seiten geschnürt bis zu den Waden, wo sie in den Stiefeln verschwand. Die Schnüre saßen locker genug, dass ein Streifen heller Haut durchblitzte.
»Hallo Anita.« »Tag Jason. Was tun Sie hier?« Er war so anständig, verlegen zu gucken. »Ich bin Jean-Claudes neues Schoßtier.«
Er sagte es so, als wäre es ganz in Ordnung. Richard hätte sich nicht so ausgedrückt.
»Jean-Claude, Sie haben mir nicht gesagt, dass Sie jemanden mitgenommen haben«, sagte ich. »Wir werden den Meister der Stadt besuchen. Wir müssen uns gut in Szene setzen.« »Mit einem Werwolf also und wem noch ... mit mir?«
Er seufzte. »Ja, ma petite, ob Sie nun meine Zeichen tragen oder nicht, die meisten betrachten Sie als meinen menschlichen Diener.« Er hob eine Hand. »Bitte, Anita, ich weiß, technisch gesehen sind Sie es nicht. Aber Sie haben mir geholfen, mein Territorium zu verteidigen. Sie haben getötet, um mich zu schützen. Das sind die maßgeblichen Dinge, die ein menschlicher Diener tut.«
»Das heißt? Ich muss bei diesem Besuch vorgeben, Ihr menschlicher Diener zu sein?« »Etwas in der Art«, sagte er. »Auf keinen Fall.«
»Anita, ich muss hier Stärke beweisen. Branson hat zu Nikolaos' Territorium gehört. Ich habe es aufgegeben, weil die Bevölkerungsdichte eine neue Gruppe vertragen konnte. Aber es war dennoch mein Gebiet, und nun ist es das nicht mehr. Manche sehen das mehr als ein Zeichen von Schwäche denn als praktische Entscheidung an.«
»Also haben Sie mich auch ohne Ihre
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