Anita Blake 06 - Tanz der Toten
Richard. Er starrte mich an, und seine Augen waren bernsteingelb wie bei einem Wolf. Seine Bestie erschien hinter den Augen und spähte heraus. Wahrscheinlich der
Geruch von frischem Blut. Ich sah in diese fremdartigen Augen und wusste, ich war nicht das einzige gefährliche Wesen im Raum. Natürlich war ich bewaffnet. Der tote Mann konnte das bestätigen. In meinem Rachen kitzelte ein kleines Lachen. Ich versuchte, es runterzuschlucken, aber es zwängte sich heraus, und so kicherte ich in den Hörer, als Dolph abnahm. Lachen war besser als weinen, schätze ich. Doch ich war nicht sicher, ob Dolph das auch so sehen würde.
4
Ich saß in einem Vemehmungsraum auf einemunbequemen Stuhl an einem zerkratzten Tisch. Oh, Entschuldigung, Gesprächsraum. So nannte man das jetzt. Nennen Sie es, wie Sie wollen, er roch trotzdem nach Schweiß und abgestandenem Zigarettenrauch, der leicht von Desinfektionsmitteln überlagert war. Ich trank an meiner dritten Tasse Kaffee und hatte immer noch kalte Hände.
Detective Sergeant Rudolph Storr lehnte an der Wand gegenüber. Er hielt die Arme vor der Brust verschränkt und versuchte, unaufdringlich zu wirken, aber wenn man zwei Meter fünf groß ist und gebaut wie ein Ringer, dann ist das schwierig. Während der Befragung hatte er kein Wort gesagt. (Bin nur Beobachter.)
Catherine saß neben mir. Sie hatte sich einen schwarzen Blazer über das grüne Kleid geworfen, eine Aktentasche mitgenommen und ihre Anwaltsmiene aufgesetzt.
Detective Branswell saß mir gegenüber. Er war Mitte dreißig, hatte schwarze Haare, dunkle Haut und Augen so schwarz wie seine Haare. Sein Name war englisch, aber er sah mediterran aus, als wäre er eben von einem Olivenkahn gestiegen. Sein Akzent war reinstes Mittelmissouri.
»Nun, Ms Blake, gehen Sie die Sache noch einmal für mich durch. Bitte.« Sein Schreiber schwebte über dem Papier, als wollte er alles noch mal aufschreiben. »Wir haben meiner Nachbarin geholfen, den neuen Fernseher in die Wohnung zu tragen.« »Mrs Edith Pringle, ja, sie bestätigt das alles. Aber warum sind Sie zu Ihrer Wohnung gegangen?«
»Ich wollte einen Schraubenzieher holen, um den Fernseher anzuschließen.« »Besitzen Sie viele Werkzeuge, Ms Blake?« Er schrieb etwas auf seinen Notizblock. Ich wettete, es waren Strichmännchen. »Nein, Detective, aber einen Schraubenzieher.«
»Hat Mrs Pringle Sie gebeten, einen zu holen?« »Nein, aber sie brauchte einen, als sie damals ihre Stereoanlage gekauft hatte.« Was stimmte. Ich versuchte, die Anzahl der Lügen möglichst gering zu halten.
»Darum nahmen Sie an, sie würde ihn wieder brauchen.« »Ja.«
»Was dann?« Er fragte, als würde er die Antwort noch nicht kennen. Seine schwarzen Augen waren konzentriert und neutral, undurchschaubar und eifrig zugleich. Wir näherten uns der Stelle, die er mir nicht ganz abnahm.
»Ich habe aufgeschlossen und meine Schlüssel fallen lassen. Ich ging in die Hocke, um sie aufzuheben, und der erste Schuss ging über meinen Kopf. Ich erwiderte das Feuer.«
»Wie? Die Tür war zu.« »Ich habe durch das Loch geschossen, das durch den ersten Schuss entstanden war.« »Sie haben durch ein Loch in Ihrer Tür auf einen Mann geschossen und ihn getroffen.« »Das Loch war groß, Detective, und ich war nicht sicher, ob ich ihn getroffen hatte.« »Wieso hat der zweite Gewehrschuss Sie nicht erledigt, Ms Blake? Von der Tür war nicht mehr genug übrig, um sich dahinter zu verstecken. Wo waren Sie, Ms Blake?«
»Ich sagte doch, dass die Druckwelle die Tür nach innen riss. Ich habe mich auf den Boden geworfen, zur Seite. Der zweite Schuss ging über mich hinweg.«
»Und Sie haben den Mann noch zweimal in die Brust geschossen«, sagte Detective Branswell.
»Ja,«
Er sah mich für ein paar Augenblicke an. Ich zuckte nicht mit der Wimper. Das war gar nicht so schwer. Ich war wie betäubt, leer, abwesend. Da war noch immer ein leises Klingeln in meinen Ohren, weil zwei Gewehrschüsse so dicht an mir vorbeigegangen waren. Das Klingeln würde verschwinden. Wie immer.
»Kennen Sie den Mann, den Sie getötet haben?«
Catherine berührte meinen Arm. »Detective Branswell, meine Klientin war mehr als hilfsbereit. Sie hat Ihnen mehrmals gesagt, dass sie den Verstorbenen nicht gekannt hat.«
Er blätterte in seinen Notizen. »Sie haben recht. Ms Blake ist hilfsbereit gewesen. Der Tote war James Dugan, Jimmy die
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