Anita Blake 06 - Tanz der Toten
Anführer des örtlichen Wolfsrudels. Er hatte ihn zweimal besiegt und sich zweimal geweigert, ihn zu töten. Wer nicht töten wollte, konnte nicht Anführer werden.
Richard hielt an seinen Grundsätzen fest. An Werten, die nur funktionieren, wenn man niemanden um sich hat, der einen umbringen will. Wenn ich ihn heiratete, war seine Chance auf ein normales Leben vertan. Ich lebte in einer Art Gefechtszone. Richard verdiente etwas Besseres.
Jean-Claude lebte in derselben Welt wie ich. Er machte sich keine Illusionen, was die guten Absichten von Fremden oder sonst wem anging. Der Vampir wäre über die Nachricht mit dem Killer nicht entsetzt gewesen. Er würde einfach mit mir zusammen überlegen, was dagegen zu tun war. Es würde ihn nicht umhauen, zumindest nicht besonders. Es gab Nächte, wo ich dachte, dass er und ich einander verdient hatten.
Richard bog in die Olive ein. Wir würden gleich vor meinem Haus halten, und das Schweigen wurde immer dichter. Gewöhnlich störte mich das nicht, aber dieses Schweigen doch. »Es tut mir leid, Richard. Es tut mir ehrlich leid.«
»Es wäre einfacher, wenn ich nicht wüsste, dass du mich liebst«, antwortete er. »Wenn dieser verdammte Vampir nicht wäre, würdest du mich heiraten.« »Durch diesen verdammten Vampir haben wir uns kennen gelernt«, erwiderte ich.
»Und das bedauert er, mach dir keine Illusionen«, sagte Richard. Ich sah ihn an. »Woher weißt du das?«
Er schüttelte den Kopf. »Du brauchst nur mal sein Gesicht zu sehen, wenn ihr zusammen seid. Ich kann Jean-Claude nicht leiden, und der Gedanke, dass du bei ihm bist, ist mir zuwider, aber wir beide sind nicht die Einzigen, die leiden. Wir sind drei, mach dir nichts vor.«
Ich duckte mich in meinen Sitz. Mir war plötzlich elend. Fast wünschte ich, der Killer tauchte aus der Dunkelheit auf. Vom Töten verstand ich etwas. Beziehungen brachten mich durcheinander. Und diese Beziehung mehr als alle anderen.
Richard bog auf den Parkplatz vor meinem Wohnhaus ein. Er fuhr in eine Lücke und stellte den Motor ab. Da saßen wir im Dunkeln, das einzige Licht kam von einer entfernten Straßenlampe.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Richard.« Ich starrte durch die Windschutzscheibe auf die Hauswand und war zu feige, um ihn anzusehen, während ich redete. »Ich würde dir keine Vorwürfe machen, wenn du alles zum Teufel schicken würdest. Ich käme mit solcher Unentschlossenheit auch nicht klar, und ich würde dich auch nicht mit einer anderen teilen wollen.« Endlich sah ich ihn an. Er schaute stur geradeaus.
Mein Herz schlug schneller. Wenn ich wirklich so tapfer war, wie ich von mir glaubte, würde ich ihn gehen lassen. Aber ich liebte ihn, und ich war nicht so tapfer. Das Beste, wozu ich mich durchringen konnte, war, nicht mit ihm zu schlafen. Die Beziehung nicht noch eine Stufe weiter zu treiben. Das war schwer genug. Auch meine Selbstbeherrschung war nicht grenzenlos. Hätten wir die Hochzeit geplant, ich hätte warten können. Mit einem Ende in Sicht wäre meine Selbstbeherrschung endlos erschienen, aber da war kein Ende in Sicht. Standhaftigkeit hält besser, wenn man sie nicht ganz so oft auf die Probe stellt.
Ich schnallte mich ab, entriegelte die Tür und öffnete sie. Richard fasste mich an der Schulter, bevor ich aussteigen konnte. »Willst mich nicht einladen, mit raufzukommen?«
Ich stieß die Luft aus, die ich unbemerkt angehalten hatte, und drehte mich ihm zu. »Möchtest du denn eingeladen werden?« Er nickte.
»Ich weiß nicht, wie du es mit mir aushältst«, sagte ich. Er lächelte. Er beugte sich zu mir, gab mir einen sanften Kuss. »Manchmal weiß ich es selbst nicht.« Wir stiegen aus. Richard bot mir die Hand, und ich nahm sie.
Nach uns fuhr ein Wagen auf den Parkplatz und stellte sich neben meinen Jeep. Es war meine Nachbarin, Mrs Pringle. Sie hatte einen großen Fernseherkarton unter dem festgezurrten Kofferraumdeckel.
Wir traten auf den Bürgersteig und warteten, bis sie ausstieg. Sie war groß und mit dem Alter sehr dünn geworden. Ihr schneeweißes Haar war zu einem Nackenknoten frisiert. Custard, ihr Spitz, sprang aus dem Wagen und kläffte uns an. Er sah aus wie eine goldene Puderquaste mit Katzenpfötchen. Er hüpfte auf steifen Beinen voran, schnüffelte an Richards Füßen und sah leise knurrend zu ihm hoch.
Mrs Pringle zog an der Leine. »Custard, benimm dich.«
Der Hund verstummte, aber ich glaube,
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