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Anita Blake 06 - Tanz der Toten

Anita Blake 06 - Tanz der Toten

Titel: Anita Blake 06 - Tanz der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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zu beruhigen. Er blickte nur hinter sich in das leere Wohnzimmer und rieb sich nervös die nackten Arme.
     
    »Richard hat gesagt, ich soll im Haus bleiben. Er meint, ich muss mich ausruhen.« Wieder wollte er mich nicht ansehen. »Ich habe Angst, allein zu sein, Anita. Ich ...« Er senkte den Kopf, dass ihm die langen Haare wie ein Vorhang vors Gesicht fielen. »Ich kann nicht schlafen. Ich höre ständig Geräusche.«
     
    Ich fasste mit einem Finger unter sein Kinn und hob es sanft ein Stückchen an. »Willst du damit sagen, dass du bei mir im Zimmer schlafen möchtest?« Er blickte mich mit großen angstvollen Augen an. »Richard hat gesagt, ich darf.« »Über meinen Kopf hinweg.«
     
    »Ich habe ihm gesagt, dass ich es allein nicht aushalte. Er meinte, Anita ist da, sie wird dich beschützen. Geh bei ihr schlafen.« Er sah mich verlegen an. Mein Gesicht musste meine Gefühle gespiegelt haben. »Jetzt bist du wütend. Ich nehm's dir nicht übel. Es tut mir leid. Ich werde ...« Er drehte sich um, aber ich nahm ihn beim Arm.
     
    »Es ist schon in Ordnung, Stephen. Ich bin nicht wütend auf dich. Richard und ich hatten ... eine Meinungsverschiedenheit, das ist alles.« Ich wollte nicht, dass er bei mir im Zimmer schlief. Das Bett war zu schmal für zwei, und wenn ich es mit jemandem teilen sollte, dann lieber mit Richard, aber das stand nicht an. Vielleicht überhaupt nicht nach dem Tempo, das wir an den Tag legten.
     
    »Du kannst hier bleiben.« Ich fügte nicht hinzu, er solle die Hände bei sich behalten. In seinem Gesicht stand ein nacktes Verlangen, das mit Sex nicht das Geringste zu tun hatte. Er musste im Arm gehalten werden, gesagt bekommen, dass die Monster unter dem Bett nicht wirklich da waren. Hinsichtlich des Letzten konnte ich ihm nicht helfen.
     
    Die Monster waren real. Ersteres würde ich vielleicht hinkriegen. Trotz des kaltblütigen Killers, der ich war, konnte ich doch meinen Pinguin mit ihm teilen. »Kannst du ein Kissen aus Richards Zimmer holen?«, bat ich.
     
    Er nickte und brachte es. Er drückte es an sich, als brauchte er es eigentlich nicht unter dem Kopf, sondern im Arm. Vielleicht war der Pinguin keine so schlechte Idee.
     
    Ich schloss die Tür hinter uns ab. Wir hätten in Richards Zimmer umziehen können. Da stand ein größeres Bett, aber da gab es auch ein Panoramafenster mit einer Sonnenterrasse und Vogelhäuschen. Das Gästezimmer hatte nur ein kleines Fenster. Es war leichter zu verteidigen. Sofern ich nicht durchs Fenster hinauswollte, saß man in beiden in der Falle, also blieben wir in dem Zimmer, das etwas sicherer war. Außerdem hätte ich sämtliche Waffen mitnehmen müssen, und bis dahin wäre die Nacht vorbei gewesen.
     
    Ich zog die Decke zurück und sagte: »Du zuerst.« Wenn einer durch die Tür kam, wollte ich ihn als Erster begrüßen, aber das sagte ich nicht laut. Stephen war verängstigt genug.
     
    Er stieg in das Bett mit seinem Kissen, drückte es an die Wand, weil wirklich nicht genug Platz für zwei ausgewachsene Kopfkissen war. Er legte sich auf den Rücken, blickte zu mir hoch und sah mit seinen blonden Locken um Gesicht und nackte Schultern aus wie Dornröschen. Man sieht nicht viele Männer, deren Haar länger ist als meins. Und er war einer von denen, die eher hübsch als gut aussehend sind, schön wie eine Puppe. Wie er mich mit seinen blauen Augen ansah, wirkte er wie zwölf. Denn er machte ein Gesicht, als rechnete er damit, getreten zu werden, und als würde er sich nicht wehren, weil es ja doch keinen Zweck hätte. In dem Moment verstand ich, warum Raina behauptete, er sei nur das Fressen für alle anderen. Stephen hatte überhaupt nichts Dominantes an sich, und das brachte mich auf die Frage nach seinem Vorleben. Missbrauchte Kinder haben manchmal dieses Schutzlose in den Augen. Und sie nehmen Übergriffe hin, weil sie ihnen normal erscheinen.
     
    »Was ist los?«, fragte Stephen.
     
    Ich hatte ihn angestarrt. »Nichts, ich habe nur nachgedacht.« Das war nicht der Augenblick, um ihn zu fragen, ob sein Vater ihn häufig verprügelt hatte. Ich überlegte, mir eine Jeans überzuziehen, aber das wäre unbequem, von der Schwitzerei ganz zu schweigen. Es war Spätfrühling, die Hitze hatte noch nicht eingesetzt. Es waren erst 23 Grad, aber schon zu warm, um in Jeans zu schlafen, erst recht, wenn man noch jemanden im Bett hatte. Außerdem war ich nicht sicher, wie Stephen es aufnehmen würde, wenn ich mich angezogen neben ihn legte.

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