Anita Blake 06 - Tanz der Toten
gehört, dass jemand kam.
»Sei vorsichtig. Ich wünschte, ich könnte bei dir sein.« »Es wimmelt da von Fernsehkameras«, sagte ich. »Ein Bild von dir in einem Haufen Monster wäre nicht gut. Deine Tarnung könnte auffliegen.«
»Ich würde sie auffliegen lassen, wenn dich das rettet.«
Er war gerne Lehrer, doch ich glaubte ihm. Er hatte sich vor mir geoutet. »Danke, aber Edward hat recht. Ich wäre so damit beschäftigt, dich zu schützen, dass ich auf mich selbst nicht mehr gut aufpassen könnte.«
»Um Jean-Claude machst du dir keine Sorgen?« Ich zuckte die Achseln. »Er kann auf sich selbst aufpassen. Außerdem ist er schon tot.« Richard schüttelte den Kopf. »Davon bist du nicht so ganz überzeugt.« »Doch, er ist tot, Richard. Das weiß ich. Was ihn lebendig hält, ist eine Art von Totenbeschwörung, eine andere, als ich sie beherrsche, aber trotzdem etwas Magisches.«
»Du kannst das so sagen, aber in deinem Herzen glaubst du es nicht.« Ich zuckte die Achseln. »Vielleicht nicht, aber wahr ist es trotzdem.« Es klopfte an der Tür. Edward sagte: »Deine Verabredung ist da.« »Ich komme. Jetzt muss ich mir die Lippen noch einmal nachziehen.«
Er wischte mir über den Mund und holte sich rote Finger. »Wenigstens werde ich sehen können, ob ihr euch geküsst habt. Auf seinem weißen Hemd wird das Zeug auffallen wie Blut.«
Ich widersprach nicht. Jean-Claude trug immer Schwarz oder Weiß. Ich hatte ihn erst einmal in einem Hemd gesehen, das nicht weiß war. Es war schwarz gewesen. Ich zog mir die Lippen nach und steckte den Lippenstift in die schwarze Perlenhandtasche auf der Frisierkommode. Für die Firestar war die Tasche zu klein. Ich besaß einen Derringer, der aber außer auf kurze Entfernung ziemlich nutzlos war. Einem Killer wollte ich eigentlich nicht so nahe kommen. Edward hatte die Lösung. Er lieh mir seine Seecamp, eine 32er Automatik. Sie hatte etwa die Größe einer 25er, war nur ein bisschen breiter als meine Hand, und ich hatte kleine Hände. Für das Kaliber und die Größe eine hübsche Waffe, hatte noch keine bessere gesehen. So eine wollte ich. Edward setzte mich in Kenntnis, dass er fast ein Jahr lang warten musste, bis die Pistole reinkam. Es war fast eine Sonderbestellung gewesen. Sonst hätte er sie mir geschenkt. Schön, ich würde mir selbst eine bestellen - falls ich die Nacht überlebte. Wenn nicht, na dann würde ich gar nichts mehr bestellen.
Es war mir gelungen, nicht allzu viel daran zu denken. Ich hatte mich aufs Anziehen konzentriert, auf die Verteilung der Waffen, auf Richard, auf alles, nur nicht darauf, dass ich mich draußen als Köder anbieten würde, einem der so gut war, dass er fünfhunderttausend pro Schuss kassierte. Ich musste darauf vertrauen, dass Edward mich am Leben hielt. Edward würde immerhin den Wagen anhalten und nur feuern, wenn er mein Gesicht sah, aber das taten die wenigsten Auftragsmörder. Die meisten Profis zogen es vor, einen aus hübsch sicherer Entfernung umzulegen. Ein Präzisionsgewehr konnte meterweit weg sein, sogar kilometerweit. Da gäbe es nicht viel, was ich oder Edward ausrichten konnten. Über Sprengstoffe wusste ich gar nichts. Ich würde mich darauf verlassen müssen, dass Edward sich um etwaige Bomben kümmerte. Heute Abend legte ich mein Leben in Edwards Hände, vertraute ihm, wie ich noch keinem je vertraut hatte. Erschreckender Gedanke das.
Ich kontrollierte noch einmal meine Handtasche: Ausweis, Lippenstift, Geld, Pistole. Normalerweise hätte ich eine kleine Haarbürste mitgenommen, aber dafür war kein Platz mehr. Den einen Abend konnte ich mit unordentlichen Haaren leben.
Bei dem Gedanken prüfte ich meine Frisur im Spiegel und ging ein letztes Mal mit der Bürste darüber. Ich musste zugeben, dass meine Haare großartig aussahen. Sie waren meine Hauptattraktion. Selbst Ronnie konnte daran nichts mehr verbessern. Reine Naturlocken. Ich hatte mir nach dem Duschen sogar Gel hineingetan und sie an der Luft trocknen lassen. In Kalifornien war mal eine Frau sauer geworden, weil ich ihr angeblich nicht verraten wollte, wo ich die Dauerwelle hatte machen lassen. Sie wollte nicht glauben, dass ich Naturlocken habe.
Ich schlang mir die Handtasche um die Schultern, sodass ich den dünnen Riemen quer über der Brust trug. Er fiel auf dem Kleid so wenig auf, dass man ihn fast gar nicht sah. Leider lag die Tasche auf den Rippen, ein Stück tiefer, als mein Schulterholster
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