Anita Blake 07 - Dunkle Glut
vorhatte. aber sie hatte die medizinische Ausbildung. Ich nicht. Wenn sie Zane damit ein paar Minuten mehr verschaffte, war ich dafür. Der Krankenwagen würde irgendwann kommen. Es kam darauf an, Zane so lange am Leben zu halten.
Soweit ich sehen konnte, hatte sie die Schere nicht benutzt. Sie hatte ihm den Beutel mit dem Abdeckband auf die Brust geklebt und eine Ecke offen gelassen. Das sollte offenbar so sein, aber ich fragte trotzdem. »Warum ist die Ecke nicht festgeklebt?«
Sie antwortete, ohne von ihrem Patienten aufzublicken. »Damit er weiter atmen kann. Wenn er einatmet, wird die Tüte angesaugt und die Wunde verschlossen. Das heißt Heimlichventil.« Sie klang wie eine Ausbilderin. Ich fragte mich nicht zum ersten Mal, wie Cherry außerhalb der Monsterszene eigentlich war. Sie schien aus zwei verschiedenen Personen zu bestehen. So jemand war mir noch nie begegnet, auch nicht unter den Monstern.
»Wird ihn das am Leben halten, bis der Krankenwagen hier ist?«, fragte ich. Endlich sah sie mich an, und ihr Blick war sehr ernst. »Ich hoffe es.«
Ich nickte. Das war mehr, als ich hätte tun können. Ich konnte Leuten gut Löcher verpassen, aber sie am Leben halten war nicht meine Stärke.
Richard brachte eine Decke, legte sie Zane über die Beine und überließ es Cherry, sie am Oberkörper rings um die Wunde festzustecken.
Richard hatte sich nur ein Handtuch um die Hüfte gebunden, seine braune Haut war mit Wasserperlen überzogen. Er hatte sich nicht die Zeit genommen, sich abzutrocknen. Das Handtuch klebte glatt an seinem Hintern, als er sich über Zanes Beine beugte und die Decke auseinander faltete. Seine dicken Haare hingen in nassen Strähnen herab, von denen die Tropfen über den Rücken rollten.
Als er sich aufrichtete, entblößte er eine Menge Bein. »Ich habe größere Handtücher«, sagte ich. Er sah mich stirnrunzelnd an. »Ich habe Schüsse gehört. Da habe ich mir über die Größe des Handtuchs wirklich keine Gedanken gemacht.«
Ich nickte. »Du hast recht. Entschuldige.« Meine Wut auf ihn schien direkt proportional mit seiner Kleidung zu schrumpfen. Wenn er den Kampf wirklich gewinnen wollte, brauchte er sich nur auszuziehen. Ich hätte die weiße Flagge gehisst und in die Hände geklatscht. Peinlich, aber so gut wie wahr.
Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, strich sie sich aus dem Gesicht und drückte etwas Wasser heraus. Diese kleine Bewegung brachte Arme und Brust wunderbar zur Geltung. Er streckte ein bisschen den Rücken durch und gab dem ganzen Körper eine lange muskulöse Linie. Das machte die Rückenwölbung. Ich wusste, dass er das absichtlich machte. Bis jetzt war es mir immer vorgekommen, als er wäre er sich der Wirkung, die sein Körper auf mich hatte, nicht bewusst. Jetzt starrte ich in seine wütenden Augen und wusste, er hatte es genau darauf angelegt. Das war seine Art, mir wortlos zu sagen: sieh, was dir entgeht, was du verloren hast. Aber wenn es nur der schöne Körper gewesen wäre, den ich verloren hatte, hätte es mir nicht so wehgetan.
Mir fehlten die Sonntagnachmittage mit den alten Musicals, die Samstage, wo wir im Wald gewandert waren und Vögel beobachtet hatten, die Wochenenden mit dem Schlauchboot auf dem Meramec. Mir fehlten seine Erzählungen aus der Schule. Er fehlte mir. Sein Körper war nur eine sehr schöne Dreingabe. Ich war mir nicht sicher, ob es auf der Welt genug Rosen gab, um mich vergessen i« lassen, was Richard mir beinahe gewesen wäre.
Er tappte zur Treppe, um zurück ins Bad zu gehen. Wäre ich so willensstark, wie ich gern vorgab, hätte ich ihm nicht nachgesehen. Ich hatte plötzlich das lebhafte Bild vor Augen, wie ich ihm die Wassertropfen von der Brust leckte und ihm das kleine Handtuch wegriss. Die Vorstellung war so plastisch, dass ich mich wegdrehen und ein paarmal tief durchatmen musste. Er gehörte mir nicht mehr. Vielleicht hatte er mir nie gehört.
»Ich will ja die Hengstschau nicht unterbrechen«, sagte Jamil, »aber wer ist der tote Kerl, und warum wollte er dich umbringen?«
Wenn ich geglaubt hatte, dass ich vorher verlegen gewesen war, hatte ich mich geirrt. Die Tatsache, dass ich mich durch die Scheiße mit Richard von so viel wichtigeren Dingen hatte ablenken lassen, bewies, dass ich nicht ganz auf der Höhe war. Das war unaussprechlich nachlässig. Das war die Art Nachlässigkeit, durch die man draufgehen konnte.
»Ich kenne ihn nicht«, sagte
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