Anita Blake 07 - Dunkle Glut
»Wir können genauso gut auf sie schießen wie Sie, Anita.«
»Aber Sie müssen sie warnen, bevor Sie schießen, nicht wahr? Sie müssen sie trotz allem wie Leute behandeln und nicht wie Ungeheuer, sonst landen Sie vor dem Prüfungsausschuss.«
»Zeugen sagen, dass Sie Zane, Nachname unbekannt, gewarnt haben, ehe Sie schossen.« »Mir war nach Großzügigkeit.« »Sie haben ihn im Beisein von Zeugen angeschossen. Das macht Sie immer großzügig.«
Wir fuhren fort einander anzustarren. Vielleicht lag es nicht nur daran, dass ich mit einem Vampir zusammen war. Vielleicht kam es auch daher, dass Dolph ein erstklassiger Polizist war und allmählich vermutete, dass ich Leute umbrachte, sie ermordete. Leute, die mich verletzten oder bedrohten, hatten die Tendenz zu verschwinden. Nicht viele, aber genug. Und vor knapp zwei Monaten hatte ich zwei getötet, wo man die Leichen nicht verschwinden lassen konnte. Beide Male in Notwehr. Ich habe noch nie einen Gerichtssaal von innen gesehen. Das Vorstrafenregister der beiden Meuchelmörder war länger gewesen, als ich groß bin. Die Fingerabdrücke der Frau hatten die Akten etlicher politischer Anschläge geschlossen, die Interpol bei sich herumliegen hatte. Zwei richtig schlimme Typen, denen wirklich keiner nachtrauerte, am wenigsten die Polizei.
Dolph war misstrauisch geworden. Nur bestätigt wurde es nicht. »Warum haben Sie mich Pete McKinnon empfohlen, Dolph?«
Er antwortete eine Weile nicht, so dass ich schon dachte, es würde keine Antwort mehr kommen, aber schließlich sagte er: »Weil Sie bei dem, was Sie machen, die Beste sind, Anita. Ich bin vielleicht nicht immer mit Ihren Methoden einverstanden, aber Sie retten Leben und sperren Verbrecher ein. An einem Tatort sind Sie besser als mancher Kollege in meiner Abteilung.«
Für Dolph war das eine Ansprache. Ich öffnete den Mund, schloss ihn, dann sagte ich nur: »Danke, Dolph. Von Ihnen ist das ein dickes Kompliment.«
»Sie verbringen nur zu viel Zeit mit den verdammten Monstern, Anita. Ich meine nicht, mit wem Sie ausgehen. Ich meine das Ganze. Sie haben so lange nach deren Regeln gespielt, dass Sie manchmal vergessen, wie es ist, normal zu sein.«
Ich lächelte. »Ich verdiene mein Geld mit Totenerweckungen, Dolph. Ich war noch nie normal.«
Er schüttelte den Kopf. »Verdrehen Sie nicht absichtlich den Sinn meiner Worte, Anita. Es ist nicht das Fell oder die langen Zähne, was einen zum Ungeheuer macht, nicht immer. Manchmal ist es nur die Stelle, wo einer die Grenze zieht.«
»Die Tatsache, dass ich mich mit Monstern herumtreibe, macht mich für Sie so wertvoll, Dolph. Würde ich fair spielen, wäre ich bei der Lösung der Fälle nicht von solchem Nutzen.«
Ja, manchmal überlege ich, ob Sie nicht ... weicher wären, wenn ich Sie in Ruhe gelassen hätte, Sie nicht zur Beratung geholt hätte.«
Ich sah ihn stirnrunzelnd an. »Soll das heißen, Sie geben sich die Schuld dafür, was aus mir geworden ist?« Ich wollte das mit einem Lachen überspielen, aber sein Gesichtsausdruck hielt mich davon ab.
»Wie oft sind Sie bei einem meiner Fälle zu den Monstern gegangen? Wie oft haben Sie mit denen einen Handel eingehen müssen, um einen Verbrecher hinter Gitter zu bringen? Wenn ich Sie nicht beansprucht hätte ...«
Ich stand auf. Ich streckte die Hand aus, ließ sie sinken. »Ich bin nicht Ihre Tochter, Dolph. Sie sind nicht mein Aufpasser. Ich helfe der Polizei, weil es mir gefällt. Weil ich es gut kann. Und wen wollen Sie sonst anrufen?« Er nickte. »Ja, wen sonst? Die Gestaltwandler können hereinkommen und ... die Patienten besuchen.«
»Danke, Dolph.«
Er holte tief Luft und atmete geräuschvoll aus. »Ich habe das Fenster gesehen, durch das Ihr Freund Stephen gestoßen wurde. Wäre er ein Mensch, wäre er jetzt tot. Es war reines Glück, dass sonst niemand zu Schaden kam.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich meine, dass Zane in dieser Hinsicht vorsichtig war. Bei den Kräften, die er hat, ist es einfacher zu töten, als zu verletzen.«
»Warum hätte ihn das kümmern sollen?« »Weil er im Gefängnis ist und eine Kautionsanhörung bekommt.« »Sie werden ihn nicht freilassen«, sagte Dolph. »Er hat niemanden getötet. Seit wann kommt man bei Angriff mit Körperverletzung nicht auf Kaution frei?«
»Sie denken wie ein Polizist, Anita. Darum sind Sie gut.« »Ich denke wie ein Polizist und wie ein Monster. Darum bin
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