Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
an. Er stemmte ihn mit den flachen Händen fast in die Senkrechte und lächelte zu mir herab. In seinem Bart leuchteten weiß die Zähne.
Seine Stimme war mehr ein Knurren. »Komm raus, Kleine.«
Kleine? Ich kroch sehr vorsichtig unter dem Stamm hervor, der ein zermalmendes Gewicht hatte. Ein leichtes Zittern durchlief ihn bis in die Zehenspitzen. Es strengte ihn doch ein bisschen an, den umgestürzten Riesen so zu halten. Ich blieb neben seinem Bein hocken. Er würde den Stamm runterlassen müssen, ehe er mich schnappen konnte. Sein Lächeln wurde breiter, als wäre es ein gutes Zeichen, dass ich nicht weglief.
Ich stieß ihm das Messer in den Bauch und drehte mich weg von ihm, dabei riss ich die Klinge mit. Er machte ein überraschtes Gesicht, als er in die Knie sackte und der Stamm auf ihn drauffiel. Der klemmte ihn am Boden fest, und ich wartete nicht ab, ob er es darunter hervor schaffen würde. Da lagen noch zwei andere am Boden. Einer mit zertrümmertem Schädel, aus dem alles Mögliche heraussickerte. Bei Dunkelheit war alles grau oder schwarz. Der andere mochte noch leben, aber ich schaute nicht nach. Ich rannte.
Ich spürte einen Luftschwall und sah über die Schulter gerade noch einen fliegenden Schatten. Ein Mann riss mich von der Seite um. Ich landete auf dem Rücken, er auf mir drauf, einen Arm zwischen uns eingeklemmt. In der einen Sekund, erkannte ich Roland, in der nächsten stach ich mit dem Messer zu. Er fuhr blitzschnell zurück, dann bekam ich seine Faust vors Kinn.
Ich wurde nicht ohnmächtig, aber schlaff. Das Messer glitt mir aus den Fingern, und ich konnte nichts daran ändern. Ich schrie und gleichzeitig dachte ich: was für hübsche Bäume. Als ich mich wieder bewegen konnte, war meine Jeans bis auf die Oberschenkel heruntergezogen. Dass ich noch so weit bekleidet war, lag daran, dass die Hose eng und blutig nass war. Nasse Jeans lassen sich ganz schwer ausziehen.
»Roland, tu das nicht.«
Er zerrte weiter an der Hose, als hätte ich nichts gesagt. Ich wollte nicht noch einmal geschlagen werden. Wenn ich ohnmächtig würde, wäre alles vorbei. Er hatte Schwierigkeiten, die Jeans über die Nikes zu ziehen, weil die Jeans nämlich nicht über die Nikes passte.
Ich stemmte mich auf die Ellbogen und versuchte, freundlich und vernünftig zu sein, und fragte mich nebenbei, wo eigentlich mein Messer war. »Roland, Roland, du musst zuerst die Schuhe ausziehen.« Vielleicht bekam ich ein paar Bonuspunkte, wenn ich ein bisschen mithalf. Vielleicht ließ er sich wenigstens etwas hinhalten. Wo blieb Richard?
Roland wickelte sich meine Jeans um eine Hand und hatte damit meine Füße fest im Griff. »Warum hilfst du mir?« Seine Stimme war noch immer zu tief für diese schlanke Brust, seine Worte noch genauso vorsichtig. Nervöse Energie kroch weiter über seine Haut und flimmerte wie Sommerhitze auf Asphalt. Er war nicht anders, aber alles andere hatte sich geändert.
»Vielleicht will ich einfach nicht mehr geschlagen werden«, antwortete ich. »Ich will auch nicht mehr gestochen werden«, sagte er. »Das ist nur fair.«
Wir blieben so und starrten uns an, ich auf die Ellbogen gestützt, er vor meinen Füßen kniend. Fast war es, als wüsste ei - nicht, was er als Nächstes tun sollte. Ich glaube, er hatte nicht erwartet, mich so ruhig zu sehen. Tränen, Wut, vielleicht sogar Begierde, damit hatte er gerechnet, doch nichts davon zeigte ich. Ich war freundlich, hilfsbereit, als hätte er mich nach dem Weg zu einem Restaurant gefragt. Ich fühlte mich sogar ruhig, seltsam ruhig. Es hatte etwas Surreales, als würde es eigentlich gar nicht passieren. Wenn er mich anfasste, würde es mir noch wirklich genug erscheinen, aber solange er dort blieb, war alles gut.
Er klemmte sich die Jeans unter ein Knie und fing an, sich das Hemd auszuziehen. Das Hemd war okay. Damit war ich einverstanden. Er hatte eine hübsche Brust, schön anzusehen. Solange seine Hosen oben blieben, war alles in Ordnung. Wo zum Teufel blieb Richard?
Er öffnete den Verschluss seiner Hose, und so gut waren meine Nerven dann doch wieder nicht. Ich wollte nicht versuchen, mit Richard Kontakt herzustellen, falls er gerade in einen Kampf verwickelt wäre. Die Zeichen zu gebrauchen schaffte Ablenkung. Aber ich brauchte irgendeine Hilfe. Ich wettete, dass Roland keine Unterhose trug. Ich gewann.
Ich sandte einen Ruf an Richard aus, und er kämpfte tatsächlich. Er kämpfte
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